Digitalisierung

Auf der Suche nach den Hardenbergs von heute und morgen

Im Rahmen eines Werkstattgesprächs der Atlantik-Brücke über das Hardenberg-Projekt unseres Firmenmitglieds Oliver Wyman diskutierten Nadine Schön, MdB, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Lena Stork, Government Relations Manager bei der Zoom Video Communications GmbH, Caspar von Blomberg, Head of Public & Social Sector Practice bei Egon Zehnder International, und Tim Arnold de Almeida, Partner bei Oliver Wyman, über die Transformation von Staat und Verwaltung. Eingeleitet wurde das Gespräch von Impulsen durch Anahita Thoms, Partner bei Baker & McKenzie sowie Mitglied des Vorstandes der Atlantik-Brücke, Dr. Kai Bender, Market Leader Deutschland & Österreich bei Oliver Wyman, Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Geschichte der Neuesten Zeit an der Universität Greifswald, und Julia Friedlander, Geschäftsführerin der Atlantik-Brücke.

Staat und Verwaltung stehen in der jüngeren Vergangenheit vor gewaltigen kurz-, mittel- und langfristigen Herausforderungen: In der Corona-Pandemie und in der durch den russischen Krieg gegen die Ukraine hervorgerufenen Energiekrise war das Staatswesen zuletzt mit exogenen Schocks konfrontiert, die schnelles und effizientes Handeln erforderten. Gleichzeitig verlangen langfristige Entwicklungen wie der Klimawandel, der demographische Wandel und die Digitalisierung eine anpassungsfähige Verwaltung.

Dabei ist die Staatsmodernisierung kein rein innenpolitisches Thema: Der Vertrauensverlust in staatliche Institutionen und das Gefühl, dass das Staatswesen nicht mehr richtig funktioniert, sind Phänomene, die in Deutschland, den USA und fast allen weiteren westlichen Demokratien zu beobachten sind. Zudem ist ein gut organisiertes Staatswesen auch in der internationalen Politik insofern essenziell, als bei Partnern Klarheit über Zuständigkeiten und Ansprechpartner in Ministerien und Behörden bestehen muss.

Wer übernimmt Verantwortung für die Transformation von Staat und Verwaltung?

Ein großer Reformer in der deutschen Geschichte war der von 1810 bis 1822 amtierende preußische Staatskanzler Karl August von Hardenberg. Auch er war – wie der von 1809 bis 1817 amtierende US-Präsident James Madison im Britisch-Amerikanischen Krieg – mit einer Krise, dem Russlandfeldzug 1812, konfrontiert. Dennoch tat sich Hardenberg, der, gemeinsam mit Freiherr von Stein, die treibende Kraft hinter den Preußischen Reformen war, als Reformer hervor. So schrieb er etwa die Gewerbefreiheit gesetzlich fest und entwarf die auf dem Wiener Kongress 1815 verabschiedete Deutsche Bundesakte. Charakterlich zeichnete sich Hardenberg unter anderem durch seinen klaren moralischen Kompass und seine Bereitschaft zu lebenslangem Lernen aus.

Wer also übernimmt über 200 Jahre nach Hardenberg Verantwortung für die Transformation von Staat und Verwaltung? Zwar hat sich der Staat im Krisenmodus der vergangenen drei Jahre als handlungsfähig erwiesen, hat die Corona-Pandemie bewältigt und in kürzester Zeit die Abhängigkeit von russischem Gas beseitigt. Doch was fehlt, so der Befund aus dem Werkstattgespräch, ist das langfristige Denken bei der systemischen Transformation der öffentlichen Verwaltung. Zentral, um dieses Denken zu etablieren, sind Führungskräfte, die wesentliche Methodenkompetenzen mitbringen: Hierzu gehören eine ausgeprägte Lernfähigkeit, interdisziplinäres Denken und die Fähigkeit, sich mit Menschen außerhalb der eigenen Organisation zu vernetzen. Eine gesteigerte Durchlässigkeit zwischen privatem und öffentlichem Sektor ist dafür nicht nur Voraussetzung, sondern auch wünschenswerte Folge.

Keine große Staatsreform, sondern schrittweises, agiles Vorgehen

Bei der Suche nach den „modernen Hardenbergs“ geht es nicht darum, Hardenberg – oder andere Führungspersönlichkeiten – nachzuahmen, sondern vielmehr darum, gezielt Kompetenzen zu trainieren, die Führungskräfte befähigen, bei der Transformation von Staat und Verwaltung voranzugehen. Nur so können etwa die Registermodernisierung, die Verwaltungsdigitalisierung und viele weitere Projekte der Staatsmodernisierung gelingen. Dabei geht es keinesfalls um die ganz große Staatsreform, sondern um ein schrittweises, agiles Vorgehen, das nachhaltig aus bewältigten Situationen und Fehlern lernt.

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