Gesellschaft

Must-Reads zu Polizeigewalt

Ein Überblick über die Debattenlage in den USA
Must-Reads zu Polizeigewalt Das Anliegen der Bewegung "Black Lives Matter" bleibt wichtig, dringlich und aktuell. Foto: unsplash

Der durch einen weißen Polizisten gewaltsam herbeigeführte Tod des Afroamerikaners George Floyd in Minneapolis hat die Vereinigten Staaten von Amerika erschüttert. In dem folgenden Überblick bieten wir Kurzzusammenfassungen von Beiträgen an, die die momentane Debattenlage in den USA schildern und prägen. Klicken Sie jeweils auf die dazugehörigen Links, um die verschiedenen Artikel aus der Presse, von Think Tanks, amtierenden und früheren Politikern sowie von ehemaligen US-Präsidenten zu lesen.

Struktureller Rassismus und Polizeigewalt 

Rassistisch motivierte Polizeigewalt sei kein Einzelfall, sondern strukturell in den US-Polizeibehörden verankert, schreibt Rashawn Ray, David M. Rubenstein Fellow der Brookings Institution. Grundlegende Reformen seien nötig, um des Problems Herr zu werden. Dazu gehöre die Aufarbeitung der Ursprünge der Ordnungshüter in den Zeiten der Sklaverei sowie eine Kritik an dem Glauben vieler Polizisten, „über dem Gesetz zu stehen“. Das wichtigste Ziel sei jedoch, Entschädigungszahlungen an Bürger nach polizeilichem Fehlverhalten neu zu regeln. So könne ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, übergriffiges Verhalten strenger zu sanktionieren. Außerdem sollten Polizisten mit zu vielen Verfehlungen entlassen werden, damit sie keinen schlechten Einfluss auf Kollegen ausüben.

Protest als patriotischer Akt

Das Editorial Board der New York Times schreibt in einem Meinungsbeitrag in der eigenen Zeitung: Als George Floyd starb, vereinte der Protest gegen Rassismus und jahrzehntelange Polizeigewalt alle Amerikaner, die sich nach der Erfüllung von „life, liberty, and happiness“ sehnen. Einige Demonstranten nutzen die aktuelle Situation zwar für Gewaltakte und Plünderungen aus. Doch viel zu oft werden friedliche Protestierende von der Polizei an der Ausübung ihrer Rechte gehindert. Die Ereignisse der vergangenen Tage haben alte Wunden aufgerissen und die Gesellschaft weiter gespalten. Da Präsident Trump die Spannungen zwischen Demonstranten und Polizei weiter anheize, müssen nun Bürgermeister und Gouverneure das Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen. Dazu gehöre auch, die Polizei bei Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen.

Der Ruf nach Ordnung

Tom Cotton, republikanischer Senator aus Arkansas, plädiert in einem innerhalb der Redaktion höchst umstrittenen New York Times Op-Ed für eine harte Gangart mit Blick auf die Unruhen. Die Ausschreitungen und Plünderungen der vergangenen Woche hätten viele amerikanische Städte in anarchische Zustände gestürzt. Die Polizei sei von Politikern vor Ort im Stich gelassen worden. Radikale linke Kräfte haben die Proteste für ihre eigenen anarchistischen Ziele ausgenutzt, so der Senator. Wenn dieser Gewalt nicht Einhalt geboten werde, könne dies die Lebensgrundlage vieler gesetzestreuer Bürger zerstören. Durch den Insurrection Act habe der Präsident die Möglichkeit, Soldaten auch im Inland einzusetzen, um Recht und Ordnung wiederherzustellen. Damit würde die Bundesregierung ihrer Pflicht nachkommen, die Bundesstaaten vor Gewalt im Inneren zu schützen.

Eine Roadmap für Bundesstaaten und Städte

Eine 400 Jahre währende Geschichte des Rassismus habe nicht dazu geführt, dass die mehrheitlich weiße amerikanische Gesellschaft die Anfeindungen und Übergriffe gegen Menschen anderer Hautfarbe zum Thema mache, so Camille Busette, Senior Fellow der Brookings Institution. Die Brutalität des Todes von George Floyd habe dies der ganzen Welt vor Augen geführt. Nun stehen insbesondere Gouverneure und Bürgermeister in der Verantwortung, den Rassismus endlich zu bekämpfen. Die Autorin schlägt eine Agenda vor. Darauf setzt sie unter anderem das Anerkennen von Rassismus als Problem, einen Plan für die Gleichstellung von Menschen aller Hautfarben, gleichen Zugang zur Bildung, Gesundheitsversorgung und zum Internet sowie das Infragestellen etwa des Jugendstrafrechts.

Die Reaktionen der Ex-Präsidenten 

Auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama kommentiert die Geschehnisse: Die landesweiten Proteste nach dem Tod George Floyds seien ein Zeichen der Frustration über das jahrzehntelange Versäumnis, das Polizei- und das Strafrechtssystem der Vereinigten Staaten zu reformieren. Demonstrationen und ziviler Ungehorsam könnten in der Bevölkerung ein Bewusstsein für das Unrecht gegenüber Minderheiten schaffen. In einer Demokratie könnten Bestrebungen nach Veränderungen aber nicht ausschließlich durch Proteste erreicht werden. Vielmehr müssten Menschen auch politische Vertreter wählen, die auf ihre Forderungen eingehen. Wenn die berechtigte Wut der Menschen in friedvollen Protest und nachhaltiges Handeln gelenkt werden könne, dann bestehe die Chance, echte Veränderung zu erreichen.

George W. Bush ordnet die Ereignisse ebenfalls in einem Statement ein: Amerika müsse immer wieder die Herausforderung meistern, seine ganz unterschiedlichen Bürger in einer Nation zu vereinen. Die rassistischen Glaubenssätze der Vergangenheit würden dabei nach wie vor die Einheit des Landes gefährden. Amerika müsse sich auf seine Ideale berufen und sich daran erinnern, dass alle Menschen gleich sind. Man dürfe nicht unterschätzen, wie schwierig es sei, diesem Gedanken Geltung zu verschaffen. Eine friedliche Gesellschaft könne nur durch friedliche Proteste erreicht werden, müsse ihre Grundlagen aber auch in einer belastbaren Gerechtigkeit für alle haben.

In Union there is Strength

Eigentlich wollte James Mattis öffentlich schweigen, solange Präsident Trump noch im Amt ist. Doch der frühere Verteidigungsminister in Trumps Kabinett und 4-Sterne-General des U.S. Marine Corps im Ruhestand hat angesichts des militarisierten Umgangs der Regierung mit den größtenteils friedlichen Protesten nun eine Ausnahme von seiner selbst auferlegten Regel gemacht. In einem ausführlichen Statement von James Mattis, das The Atlantic exklusiv vorliegt, beklagt er, dass Trump nicht einmal vorgebe, den Versuch zu unternehmen, die amerikanische Gesellschaft zu einen. Da der 45. US-Präsident in den Augen von Mattis gewillt ist, die Nation zu spalten, stelle der Oberbefehlshaber eine Bedrohung für die amerikanische Verfassung dar. Der ehemalige Pentagon-Chef beschwört alle zivilen Kräfte im Land, Einigkeit zu demonstrieren und dem amerikanischen Ethos und dessen Werten gerecht zu werden.

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