Wirtschaft und Finanzen

„Deutsche Rentner sollten die Chancen des Kapitalmarktes nutzen dürfen“

Das letzte Frankfurt Luncheon vor der Sommerpause beschäftigte sich mit dem Thema Asset-Management.
Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI Deutscher Fondsverband, sprach mit der Regionalgruppe Frankfurt/Hessen darüber, wie Europa die amerikanische Dominanz in der Asset-Management-Branche durchbrechen und aufholen kann. Im Kurzinterview spricht er über die deutsche versus die amerikanische Altersvorsorge, die Vorteile einer Kapitalmarktunion und wieso er die EU-Taxonomie-Verordnung als gescheitert ansieht.

Herr Richter, in den USA setzen viele Beschäftigte bei der Altersvorsorge auf 401(k)-Pläne, in die sie einen Teil ihres Gehalts einzahlen – oft ergänzt durch Arbeitgeberbeiträge. Das Geld wird meist in Aktien investiert. Nach Trumps Zollankündigungen im April fielen die Kurse stark, was vor allem Rentner traf, die auf stabile Auszahlungen angewiesen sind. Auch in Deutschland wird private Vorsorge immer wichtiger. Wie kann ein System aussehen, das weniger anfällig für solche Marktschwankungen ist?

Das amerikanische System ist langfristig nicht anfällig für Marktschwankungen. Es gibt keinen Zeitraum über 30 Jahre, in denen Aktien Verlust gemacht haben. Unter dem Strich rechnet sich 401(k) für die amerikanischen Rentner, während deutsche Rentner immer mehr Abstriche von ihrem Lebensstandard machen müssen, weil sie die Chancen des Kapitalmarktes nicht nutzen bzw. nutzen dürfen. Die neue Bundesregierung muss das Altersvorsorgekonto, das die letzte Regierung entwickelt hat und breite Zustimmung bei Experten und in der Bevölkerung fand, schnell einführen. Damit würde Deutschland zu Ländern wie Schweden, Frankreich und die USA aufschließen.

Wie würde sich eine Kapitalmarktunion der EU auf europäische Unternehmen auswirken?

Positiv, weil sie breitere Finanzierungsmöglichkeiten vorfinden würden. Börsengänge würden ebenfalls einfacher. Aber um dorthin zu kommen, muss die EU einige Hürden abbauen, die sie selbst errichtet hat, z.B. die  überbürokratisierte Wertpapierberatung. Die soll den Verbraucher schützen, schreckt sie  aber eher ab, in den Kapitalmarkt zu investieren. Jetzt macht die EU ein riesiges Fass auf, um das Geld der Sparer vom Konto in Kapitalmarktprodukte zu lenken. Das hat die EU-Kommission jahrelang erschwert, zuletzt durch die Schnapsidee eines Provisionsverbotes, das sie sich von den Verbraucherschützern hat einreden lassen.

„Die ganze Nachhaltigkeitsgesetzgebung ist weitgehend gescheitert.“

Die EU-Taxonomie-Verordnung, die seit 2022 gilt, soll Investitionen in nachhaltige Projekte lenken, indem sie klare Kriterien für „grüne“ Wirtschaftstätigkeiten festlegt. Wird sie von Unternehmen akzeptiert und umgesetzt? Welche Bilanz würden Sie nach drei Jahren ziehen?

Die ganze Nachhaltigkeitsgesetzgebung, nicht nur die Taxonomie, ist weitgehend gescheitert. Der politische Druck war enorm, und so hat Ursula von der Leyen ihren Green Deal ausgerufen und die EU-Kommission Gesetz auf Gesetz ausgeworfen. Die Finanzbranche hat auch keine rühmliche Rolle gespielt, als sie die Chance sah, sich als Retter der Welt darzustellen und gleichzeitig neue Produkte zu verkaufen. Am Ende gab es zu viel Ideologie und Moral und zu wenig Ökonomie. Das wird jetzt hoffentlich so korrigiert, dass sich Nachhaltigkeit auch rechnet. Auch das machen die Amerikaner besser. Der Ölstaat Texas produziert gleichzeitig die meiste erneuerbare Energie, nicht weil Gesetze ihn dazu anhalten, sondern weil es sich lohnt.

Thomas Richter begann seine Karriere bei der Deutsche Börse AG und wechselte 1998 zur DWS, wo er 2007 Mitglied der Geschäftsführung wurde. Seit 2010 ist Thomas Richter Hauptgeschäftsführer des BVI.

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