Regionalgruppe München

„Driven out“ – Adolf Rosenberger und Porsche, eine transatlantische Wirklichkeit

„Driven out“ – Adolf Rosenberger und Porsche, eine transatlantische Wirklichkeit

Bei einer Veranstaltung der Regionalgruppe München/Bayern hat Prof. Dr. Joachim Scholtyseck seine Studie „Adolf Rosenberger – Rennfahrer, Porsche-Mitgründer, Selfmademan. Eine Enttäuschungsgeschichte“, vorgestellt. Dr. Christoph Rückel,  Aufsichtsratsvorsitzender der Adolf Rosenberger gGmbH, schreibt hier über die Entstehungsgeschichte der Studie. 

Der Hintergrund: Die im Jahre 2019 / 2020 gegründete gemeinnützige Rosenberger-Gesellschaft mit Sitz in München hat zum Gegenstand das Eintreten gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Antisemitismus. Es heißt in der Satzung der Gesellschaft: „Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Erinnerung an Adolf Rosenberger, die Würdigung seines Lebenswerkes, die Hervorhebung der Zeit seiner Verfolgung und seiner Diskriminierung im Rennsport und in der Automobilwirtschaft als Jude unter der Nazizeit, um heute aktiv dazu beizutragen, derartige Diskriminierungen zu vermeiden.“

In einem Zeitraffer lässt sich die Verwirklichung dieses Satzungszweckes in einer ersten Phase wie folgt beschreiben: Die Adolf Rosenberger gGmbH wurde gegründet von Prof. Dr. Sandra Esslinger (Los Angeles), einer Großnichte von Adolf Rosenberger. Die Adolf Rosenberger-Gesellschaft und Sandra Esslinger haben ab 2020 einen Dialog mit der Porsche AG (PAG) begonnen um herauszufinden, wie der in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bis dahin im Wesentlichen unbekannte Adolf Rosenberger als zehnprozentiger Mitgründer der Porsche-Gesellschaft im Jahr 1931 wieder in das Bewusstsein und in die Erinnerung gerufen werden kann. Die Verhandlungen führten am 31.10.2022 zu einer bedeutenden Presseinformation unter der Überschrift „Porsche und Rosenberger gGmbH beauftragen gemeinsames Forschungsprojekt“.

Am 25.04.1931 gründeten die Gesellschafter Adolf Rosenberger (10 %), Dr. Anton Piëch (10 %) und Dr. Ing. h.c. Ferdinand Porsche (80 %) in Stuttgart das Porsche Konstruktionsbüro, das eindeutig als Vorläufer der Porsche AG bezeichnet werden kann. Adolf Rosenberger schied am 30.01.1933 als Geschäftsführer und im Jahr 1935 als Gesellschafter aus und emigrierte 1938 in die USA, nachdem er 1935 für einige Wochen im Konzentrationslager Kislau wegen sogenannter Rassenschande gefangen war.

„Keine Entschädigung, keine Anerkennung, keine Namensnennung im Zusammenhang mit der Gründung der Porsche-Gesellschaft.“

Nach seiner Auswanderung 1938 in die USA startete Adolf Rosenberger in den USA unter dem Namen Alan A. Robert ein neues Leben. Nach dem Kriegsende 1945 bestand weiterer Kontakt zur Firma Porsche, ohne dass es dazu kam, dass Adolf Rosenberger vor 1949 eine Entschädigung, eine Anerkennung, gar Nennung seines Namens im Zusammenhang mit der Gründung der Porsche-Gesellschaft erfuhr. Adolf Rosenberger war daran interessiert, in den USA ganz oder regional limitiert die Befugnis zu bekommen, die Porsche-Gesellschaft dort geschäftlich zu vertreten, was misslang. Im Jahre 1950 kam es im Wiedergutmachungsverfahren vor dem Landgericht Stuttgart zu einem Vergleich, Rosenberger erhielt 50.000 DM und einen VW Käfer.

Es wurde zwar im Jahr 2017 eine Studie unter dem Titel „Porsche: Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke“ von Prof. Dr. Wolfram Pyta veröffentlicht, die auch die Anfänge von Porsche beschrieb und die weitere Entwicklung in der Nachkriegszeit. Diese erste wissenschaftliche Studie über das Schicksal von Adolf Rosenberger wurde von Sandra Esslinger und der Adolf Rosenberger gGmbH als unzureichend angesehen. Deshalb arbeiteten Porsche und die Vertreter der Nachfahren von Adolf Rosenberger durch die Adolf Rosenberger gGmbH gemeinsam an einer nunmehr umfassenden und ergänzenden Aufarbeitung. Diese Arbeit erfolgte erstmals unter Berücksichtigung wesentlicher bekannter Quellen, Archive, Informationen, insbesondere erstmals unter Einschluss des von der Esslinger-Familie in den USA verwalteten Rosenberger-Archivs. Verwertet wurden weitere Quellen aus nationalen und internationalen Recherchen durch das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Joachim Scholtyseck (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn). Professor Scholtyseck hatte nach der gemeinsamen Beauftragung durch Porsche und die Adolf Rosenberger gGmbH seine Arbeit am 01.10.2022 begonnen.

Grundlage für den Auftrag an Professor Scholtyseck waren gemeinsam erarbeitete Fragestellungen in 19 Punkten, die in der Studie Berücksichtigung finden. Dies betrifft u.a. das Aufwachsen Adolf Rosenbergers in Pforzheim, das Kennenlernen mit Ferdinand Porsche bis zur Gründung des Konstruktionsbüros und die Beschäftigung mit den Fragen, warum Adolf Rosenberger 1933 als Geschäftsführer und 1935 als Gesellschafter bei Porsche ausschied. Des Weiteren sollte und wird in der Studie die Rolle von „Ferry“ Porsche, dem Sohn von Ferdinand Porsche, bis zum Tode von Adolf Rosenberger 1967 untersucht.

„Die eigene Geschichte ist ein Teil von Porsche. Dies gilt auch für die Zeit während des Nationalsozialismus.“

In der Presseerklärung vom Oktober 2022 wird die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG wie folgt dargestellt: Sie steht zur Vergangenheit und ihrer Vorläufer-Unternehmen und versteht die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte als permanente Aufgabe. Die eigene Geschichte ist ein Teil von Porsche. Dies gilt auch für die Zeit während des Nationalsozialismus. Für die heutige Porsche AG ist es wichtig, deutliche Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit zu setzen. Die Forderung wissenschaftlicher Forschungen im Bereich der Unternehmensgeschichte soll helfen, die Vergangenheit zu verstehen, um die Zukunft zu gestalten.

Die Aufgabe der Adolf Rosenberger gGmbH wird in dieser Presseerklärung dargestellt mit dem Interesse der gemeinnützigen Rosenberger-Gesellschaft und dem Wunsch ihrer Gründerin Sandra Esslinger nach vollständiger Darstellung der historischen Ereignisse, und warum der jüdische Gesellschafter Rosenberger zwischen 1933 und 1935 seine Position als Geschäftsführer und Gesellschafter verlor. Darüber hinaus besteht das gemeinnützige Interesse gemeinsam mit Porsche, Antisemitismus, Diskriminierung und Ausgrenzung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit entgegenzutreten.

Im transatlantischen Kontext ist die ab 04.12.2025 verfügbare englische Ausgabe von Bedeutung, die den signifikanten Untertitel „Driven Out“ trägt. Bemerkenswert an dieser Studie ist die Bereitschaft des deutschen Unternehmens Porsche, nach einer bereits vorhandenen Studie (Pyta) dann doch den Zugang zu wesentlichen Archivmaterialien erstmals zu nutzen und über die Universität Bonn Professor Scholtyseck mit seinem grossen Erfahrungsschatz in der Wirtschaftsgeschichte zu beauftragen. Beide Parteien Porsche und Rosenberger sind sich einig und haben es durchgehalten, auf Professor Scholtyseck während der Arbeit an der Studie keinen Einfluss zu nehmen, sondern dem Autor die volle Unabhängigkeit und wissenschaftliche Freiheit zu garantieren.

Das Erscheinen der Studie im September 2025 ist zugleich ein Beweis dafür, dass in streitigen Angelegenheiten mit viel Mut und wechselseitigem Verständnis für verschiedene Positionen eine vergleichsweise einmalige Lösung erzielt werden kann. Die transatlantische Geschichte von Adolf Rosenberger ist ebenso wie seine deutsche Geschichte keine Erfolgsstory. In den USA ist ihm in den Nachkriegsjahren nur eine mäßige Realisierung wirtschaftlichen Erfolgs mit seiner mittelständischen Tätigkeit im Automobilbereich gelungen. Mit der Studie von Professor Scholtyseck werden die umfassenden Leistungen in finanzieller, technischer und Rennfahrersicht von Adolf Rosenberger verständlich und berührend dargestellt. Das Werk ist ein wesentlicher Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Dr. Christoph Rückel ist Seniorpartner der Kanzlei Rückel & Collegen und Aufsichtsratsvorsitzender der Adolf Rosenberger gGmbH, München.

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