„Datenschutz kann langfristig ein Wettbewerbsvorteil sein“

„Der globale Wettlauf um Künstliche Intelligenz: Wo liegt die Zukunft Europas?“ – dieses Thema diskutierte unsere Regionalgruppe Hamburg zuletzt mit Dr. John Lange, dem Gründer von AI.FUND. Was die neue Bundesregierung seiner Meinung nach tun sollte, um die Finanzierung deutscher KI-Start-ups zu verbessern, und weshalb er glaubt, dass KI langfristig klimafreundlicher werden wird, lesen Sie hier.
Dr. Lange, wie kann Europa angesichts der rasanten KI-Entwicklungen in den USA und China eine eigenständige Strategie entwickeln, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können?
Europa verfügt über ausreichend KI Kompetenz und Talent, um eine eigene KI-Stärke zu entwickeln. Zum einen braucht Europa Technologiesouveränität auch im KI-Sektor. Das betrifft die technische Infrastruktur wie Rechenleistung, Datencenter und Sprachmodelle auf Basis europäischer Werte. Zum anderen muss Europa seine speziellen Potenziale nutzen. Diese liegen vor allem in der Anwendung von KI. Aufgrund der diversifizierten Wirtschaftsstruktur und der starken industriellen Basis verfügt Europa über viel Domain-Wissen und Daten. Um global relevant zu sein, muss Europa groß denken und seine Kräfte bündeln. Nur dann kann es gelingen.
Deutsche KI-Startups zeigen zwar Fortschritte bei der Venture-Capital-Finanzierung, stehen aber weiterhin vor strukturellen Herausforderungen im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern. Was sollte die neue Bundesregierung unternehmen, um die Situation zu verbessern?
Das größte Problem in Europa sind weder fehlendes Wissen noch Talent, sondern ein Mangel an Kapital für Innovation und Startups. In den USA wird zehnmal soviel investiert wie in Deutschland. Der größte Hebel besteht in der Aktivierung des privaten Kapitals, das hierzulande in andere Assetklassen fliesst. Versicherungen und Pensionskassen investieren kaum in Venture Capital. Auch private Investoren wie Family Offices und Unternehmen tun sich immer noch schwer. Die neue Bundesregierung muß das angehen. Der Staat sollte vor allem Fund-of-Fund-Konzepte initiieren, die das Investitionsrisiko erheblich mindern. Mit dem Zukunftsfonds geht das in diese Richtung. Aber jetzt geht es an die Umsetzung. Auch steuerliche Anreize für Risikoinvestitionen können wirksam sein. Zudem die Bundesregierung speziell KI-Gründungszentren fördern, damit überhaupt viele gute KI Startups an den Start kommen.
Sind die deutschen Datenschutzbestimmungen ein Wettbewerbsnachteil für die deutsche KI-Entwicklung? Wie könnte man die DSGVO und den Innovationsimpuls für KI-Entwicklungen besser in Einklang bringen?
In manchen Bereichen sind diese ein echter Wettbewerbsnachteil. Zugang zu Trainingsdaten ist wichtig. Die DSGVO erschwert besonders im Vergleich zu Ländern wie den USA oder China den Zugang zu großen, realen Datensätzen – z. B. im Gesundheitswesen. Rechtliche Unsicherheit hemmt viele Unternehmen, KI-Anwendungen auf personenbezogene Daten zu entwickeln oder einzusetzen. Datenschutz kann als Qualitätsmerkmal langfristig aber auch ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn er mit Transparenz, Sicherheit und Nutzerkontrolle intelligent verbunden wird. Vertrauen in KI ist wichtig. In Europa müssen wir „Trustworthy AI“ entwickeln, die Datenschutz nicht als Bremse, sondern als Gestaltungsfeld für sichere, faire und transparente KI begreift.
In einem Beitrag für Venture Capital betonen Sie, dass Künstliche Intelligenz einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten kann. Gleichzeitig wird häufig kritisiert, dass KI-Anwendungen wie ChatGPT einen erheblichen Energiebedarf haben. Wie bewerten Sie dieses Spannungsfeld und wie kann Ihrer Meinung nach der nachhaltige Einsatz von KI gelingen?
Der Energieverbrauch für Training und Nutzung von Sprachmodellen ist in der Tat hoch. Doch wie überall findet auch hier ständig Innovation statt. Kleinere Sprachmodelle und neue Traininingsverfahren kommen auch den Markt, wie das Beispiel DeepSeek gezeigt hat. Allein der Kostendruck wird dafür sorgen, dass KI immer effizienter wird. Dennoch steigt die Nutzung rasant, sodass trotzdem mit weiter steigendem Energiebedarf zu rechnen ist. Zum Glück produzieren wir immer mehr grünen Strom. Auch muss man eine Technologie wie KI in seiner Gesamtwirkung bewerten. Der Einsatz von KI trägt nämlich gleichzeitig auch zu einer höheren Energieffizienz bei. Ein Beispiel: Einer meiner Söhne arbeitet für ein Startup, das mit KI die Effizienz der Produktion von erneuerbaren Energien verbessert. Insgesamt müsste man den gesamten Nutzen von KI beim Umwelt- und Klimaschutz, in der Gesundheit oder beim Wohlstand mit einbeziehen, um das Spannungsfeld komplett aufzulösen.