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Künstliche Intelligenz als Treiber der Mobilität von morgen

Visionäre Verkehrskonzepte haben die erste öffentliche Veranstaltung der Arbeitsgruppe Digitalisierung der Atlantik-Brücke bestimmt. Zu einem Vortrag und einer Diskussion unter dem Titel „The Future of Mobility“ begrüßten Jens Hanefeld, Leiter internationale Politik, Außen- und Regierungsbeziehungen der Volkswagen AG, und Lars Klingbeil, MdB, Sprecher für die Digitale Agenda der SPD-Bundestagsfraktion und Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe Digitalisierung der Atlantik-Brücke, etwa 70 Mitglieder, Young Leaders-Alumni und Gäste im Drive, dem Volkswagen Group Forum in Berlin. Johann Jungwirth, Chief Digital Officer der Volkswagen AG, hielt die Keynote, bevor er an der anschließenden Podiumsdiskussion mit folgenden Rednern teilnahm: Kay Euler, Leiter Sicherheit, Qualität und Technik der Deutsche Bahn AG, Jürgen Schlaht, Head of Innovative Technologies, Siemens Mobility Mainline Transport der Siemens AG, sowie Lars Klingbeil. Markus Fasse, Teamleiter Mobilität & Logistik beim Handelsblatt, moderierte das Panel.

Jungwirth stellte den Einfluss der künstlichen Intelligenz als entscheidender Treiber auf die individuelle und gesamtgesellschaftliche Mobilität in den Mittelpunkt seines Vortrages. Er nehme für die VW AG mit ihren insgesamt zwölf Marken stets drei Bereiche in den Blick: Der digitale Kunde stehe an erster Stelle. Ausgehend von dessen Wünschen, setze zweitens die Entwicklung digitaler Produkte ein. Drittens müssten diese Innovationen in einem digitalen Unternehmen stattfinden. Der Elektrotechniker, der vor seinem im Jahr 2015 einsetzenden Engagement bei Volkswagen Stationen im Ausland bei der Daimler AG und der Apple Inc. absolvierte, zeichnete die Entwicklung von Software-Applikationen und deren zentralen Einsatzfeldern und Markt-Paradigmen nach. In den 1990er Jahren seien Apps für Desktop-PCs entwickelt worden, in den 2000er Jahren für die Strategie „Mobile First“ in mobilen Endgeräten, von 2010 an für die Ausrichtung „Mobile Only“ sowie von 2017 an für die Zielsetzung „Artificial Intelligence (AI) First“. „Für mich ist die überragende Frage: Wann setzt die Phase des ,AI Only‘ ein?“, betonte Jungwirth.

Jungwirth: Die Zukunft der Mobilität wird stetig smarter

Gerade die beiden amerikanischen Tech-Unternehmen Amazon Inc. und Google Inc. machten künstliche Intelligenz zu einer praktisch überall erlebbaren Erfahrung für den Kunden, sei es im smarten Zuhause, in der smarten Fabrik – oder eben im smarten Automobil, sagte Jungwirth. „Die Zukunft der Mobilität wird stetig smarter“, betonte er. Dazu gehöre die Erfahrung des intelligenten Nutzers im AI-Cockpit eines Fahrzeugs. Dahinter verberge sich ein selbstlernendes System, das den Kontext seiner Routen und seinen Nutzer kenne. Das bedeute, dass der Kunde mit seiner persönlichen Fahrzeug-ID sein Fahrerprofil lade, so dass beispielsweise der Sitz oder auch die Klimaanlage auf dessen Vorlieben hin automatisch eingestellt würden – im eigenen Auto wie im Mietfahrzeug. Die konkrete Vision bestehe darin, dass der Fahrzeuginsasse gar keine Bedienung mehr vorzunehmen habe. Denn dies erleichtere dem Kunden an dieser Stelle das Leben und erhöhe seinen Komfort.

Ein weiterer Bestandteil einer smarter werdenden Mobilität sei ein wiederum auf künstlicher Intelligenz basierendes, „selbstorganisierendes Ökosystem“. Dies führe dazu, dass der Nutzer seine persönlichen Ziele erreiche, zum Beispiel auf optimalem Weg zur Arbeitsstelle oder zum bevorzugten Einkaufszentrum gefahren werde. Und schließlich würden auch neue Interfaces das intelligente Mobilitätserlebnis ausmachen, erläuterte Jungwirth. Während der persönliche Markenbotschafter in den Hintergrund trete, kämen mit einer Cloud verbundene digitale Assistenten und Online-Plattformen zur Anwendung. Diese könnten dem Fahrer etwa Inhalte oder Werbung auf die Windschutzscheibe aufspielen oder ihm ermöglichen, aktiv etwas für die Gesundheit zu tun. „Die Glasflächen im Auto sind so groß und ideal zwischen Außenwelt und dem Fahrer platziert, so dass für ihn relevante Informationen visualisiert und ortsabhängig perfekt inszeniert werden können“, sagte Jungwirth. Genauso sei aber auch denkbar, den Innenraum eines Autos der Zukunft als Fitnessstudio, Wellnessraum oder Lounge zu gestalten. Die aktive Datenfreigabe des Kunden stehe am Anfang dieser über die künstliche Intelligenz getriebenen Möglichkeiten, betonte Jungwirth. „Für VW ist es sehr wichtig, transparent mit den Daten des Kunden umzugehen. Das heißt, den Kunden klar zu vermitteln, dass ihre Daten nach der Freigabe an Google gehen“, sagte er.

Die Demokratisierung des autonomen Fahrens

Für Jungwirth erscheint es klar, dass das autonome Fahren „das nächste große Thema“ wird. „Dies ist das Herzstück des zukünftigen Automobils. Sensoren, Kameras, Radar, Rechnerleistung, AI-basierte Software und Algorithmen werden es definieren“, sagte der Chief Digital Officer der VW AG. Dies habe zwei unmittelbare Folgen. Zum einen werde das autonom fahrende Auto Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderung insbesondere in ländlichen Regionen Mobilität ermöglichen und somit neue gesellschaftliche Teilhabe schaffen. Zum anderen würden die von Menschen verursachten 91 Prozent der derzeit circa 1,25 Millionen Verkehrstoten weltweit pro Jahr in Zukunft nicht zu Schaden kommen. Jungwirth brachte seine Vorstellung des autonomen Fahrens auf den Punkt: „Die Vision beinhaltet Mobilität für alle. Dies führt zu einer Demokratisierung von Mobilität. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird diese Entwicklung an Dynamik zulegen.“

Die Vernetzung aller Verkehrsträger beherrschte im Anschluss an Jungwirths Ausführungen die Podiumsdiskussion. „Autonome Straßenfahrzeuge allein werden nicht alle Verkehrsprobleme lösen“, sagte Jürgen Schlaht und bot einen Einblick in die Entwicklung und Innovationsprozesse von Siemens. „Automatisierung ist bei uns ein riesiges Thema. Wir haben die U-Bahn in Nürnberg auf diese Technik umgestellt. Aktuell arbeiten wir an zwölf mal drei Meter großen, autonom geregelten Schienenbussen“, sagte er. Mobilität werde zu einer Verkehrslösung von Tür zu Tür. Ein Transportmittel hole den Nutzer ab und bringe ihn intermodal vernetzt an sein Ziel. Kay Euler stimmte dieser Ansicht aus der Perspektive der Deutschen Bahn zu und unterstrich: „Automatisierung findet sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße statt. Wir müssen deshalb die Verkettungen von Mobilitätsangeboten professionell managen und so für einen hohen Qualitätsstandard sorgen.“

Klingbeil: Nachholbedarf bei Breitband, Glasfaser und 5G

Lars Klingbeil analysierte den politischen Rahmen in der Debatte um intelligente Mobilität. Deutschland sei noch nicht weit genug in der Digitalisierung vorangeschritten. Die Politik habe dies noch nicht in vollem Umfang verstanden, die Wirtschaft auch nur teilweise. „Wir müssen beim Breitbandausbau ebenso wie bei der Glasfaser und beim Mobilfunkstandard 5G nachlegen, und zwar flächendeckend“, forderte der SPD-Bundestagsabgeordnete. Die Verbesserung dieser Infrastruktur sei eine zwingende Voraussetzung für Innovationen im Verkehrssektor. Er plädiere für einen hohen Datenschutz, dennoch müsste im laufenden Prozess der Innovationen der Handlungsdruck auf die verantwortliche Politik höher sein. „Datenschutz darf nicht das erste Argument sein, um technologischen Fortschritt zu verlangsamen“, bemerkte Klingbeil. Er schlug eine Datenethikkommission nach US-Vorbild vor.

Auf der Grundlage von hohem Datenschutz entwarf Schlaht noch eine weitere Vision der mobilen Zukunft. Er berichtete von seinen guten Erfahrungen mit dem amerikanischen Fahrdienstleister Uber in Brüssel: Auf seinem Smartphone gebe er sein Fahrtziel ein, innerhalb kürzester Zeit stehe ein Fahrer samt Wagen bereit, und bezahlt werde automatisch mit PayPal. „Herausragend wäre doch gewissermaßen ein Über-Uber, das alle Verkehrsträger und -angebote integriert und mit einem Touch auf das Display zur Verfügung stellt.“

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