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Demokraten im Dilemma: Linkspopulismus oder Mitte-Kurs?

Demokraten im Dilemma: Linkspopulismus oder Mitte-Kurs? Zohran Mamdani Foto: Mamdani Campaign

Seit Trump im Amt ist, haben die Demokraten ein Orientierungsproblem: den linken Weg einschlagen oder sich eher an der Mitte orientieren? Auf der Mitgliederreise durch Arizona und Kalifornien zeigte sich, wie schwer es für die Partei ist, sich neu zu erfinden.

Von Claudia Kade

Sobald eine politische Partei in der Opposition landet, folgt ihr Schicksal einem Muster, das sich dies- und jenseits des Atlantiks gleichermaßen beobachten lässt: Wer die Regierungsverantwortung verliert, driftet erstmal ins Chaos. Wenn die einigermaßen einende Kraft der Gestaltungsmacht abhandenkommt, brechen verdrängte Richtungskonflikte auf – und neue Köpfe oder bisher randständige Figuren wittern ihre Chance auf Profilierung und Führungsanspruch.

„In der Opposition wird das Erscheinungsbild diffuser, die Parteidisziplin schwindet“, sagte uns ein erfolgreicher und einflussreicher US-Demokrat auf unserer Reise durch Arizona und Kalifornien wenige Tage vor den US-Regionalwahlen in New York City, Virginia und New Jersey. Und tatsächlich sind die Demokraten – wenn es „die Demokraten“ überhaupt noch gibt – nach den klaren Wahlsiegen auch nicht wirklich schlauer, welche Strömung nun die erfolgversprechende für die Parteilinie auf nationaler Ebene ist.

Sollen sie auf die Euphorie aufsetzen, die den 34-jährigen Sozialisten Zohran Mamdani in das Amt des Bürgermeisters von New York City getragen hat? Auf seine Idee, dem Rechtspopulismus von US-Präsident Donald Trump einen lauten Linkspopulismus entgegenzusetzen, der im Wirtschaftslager und bei den konservativen Parteifreunden Widerstand provoziert.

Oder soll die Partei eher den Mitte-Kurs verfolgen, für den die beiden ebenfalls neu gewählten Gouverneurinnen von Virginia und New Jersey, Abigail Spanberger und Mikie Sherrill stehen? Die beiden Frauen vertreten klassische Demokraten-Politik, zu „woken“ Themen ist in ihrer Agenda nicht viel zu finden. Stattdessen machen sie Politik für die Mittelschicht und kleinere und mittlere Unternehmen.

Und wann schwingt sich der wohl bekannteste aktive Demokrat, der kalifornische Gouverneurskollege Gavin Newsom, auf, über seine angriffslustige Attacken-Show gegen Trump hinauszuwachsen und ins ernstere Lager zu wechseln. Oder schlägt doch noch die Stunde des zurückhaltenden Andy Beshear, Gouverneur im traditionell republikanischen Kentucky, der auf ruhige Weise versucht, konservativ eingestellte Wähler in ländlichen Regionen anzusprechen.

Retten, was noch zu retten ist

Klar ist ein Jahr nach Trumps Wahlsieg: Die Resultate der jüngsten Stimmungstests können nicht als verlässlicher Indikator dafür gelten, dass die Demokraten schon wieder auf einem Siegeszug wären. New York City, New Jersey und Virginia wählen ohnehin traditionell demokratisch. Und traditionell gehen die Ergebnisse der ersten Abstimmungen nach einer Präsidentschaftswahl zugunsten der Opposition aus. Dabei kämpfen die Demokraten nicht nur gegen Trump, sondern auch gegen ihr Image, zu oft moralisch überheblich aufzutreten und ideologisch getrieben vorzugehen. Es muss für die Partei künftig und endlich darum gehen, Trump-Wähler zurückzugewinnen statt wie bisher das eigene Lager mit Selbstvergewisserung zu sättigen.

Dabei ist die Ausgangslage schwierig, die Demokraten agieren derzeit in gewisser Weise als „Nischen-Partei“, notgedrungen: Sie versuchen, maximale Gestaltungskraft in den Lücken zu entfalten, die Präsident Trump ihnen – noch – lässt. So suchen demokratische Bürgermeister Verbündete unter republikanischen Amtskollegen, die ebenfalls an Trumps Zollpolitik rütteln wollen. Sie verstärken mit pragmatischer Energie ihre Bemühungen zur Ansiedlung ausländischer Unternehmen in ihren Städten, um für ihre Bevölkerung einen Teil der „America First“-Benefits zu sichern und in ihrem Einflussbereich das Abrutschen breiter Schichten in Armut und Verwahrlosung zu verhindern. Auf allen Ebenen versuchen die Demokraten, von der staatlichen Gesundheitsversorgung zu retten, was noch zu retten ist. Wie auch Staats- und Regierungschefs im Ausland sehen sie sich durch Trump erpresst. Bisher haben sie ihm wenig entgegenzusetzen.

Und dann gibt es noch diejenigen, die von Aufbruch und Neuanfang immer noch nichts wissen wollen, wie ausgerechnet Kamala Harris. Sie lässt sich nicht lange bitten, wenn es um die Frage nach einer erneuten Präsidentschaftskandidatur 2028 geht – und schließt eine weitere Bewerbung nicht aus. „Ich bin noch nicht fertig“, verkündete sie, ohne rot zu werden. Wer sagt’s ihr?

 

Über die Autorin: Claudia Kade ist Ressortleiterin Politik bei der Tageszeitung Die Welt.

 

 

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