Wirtschaft und Finanzen

Deutsche Autos zwischen den Fronten

Handelspolitik der USA und Chinas bringt globalen Erfolg in Bedrängnis
Deutsche Autos zwischen den Fronten Dynamik gefährdet? Die Automobilindustrie ist für die deutsche Wirtschaft von hoher Bedeutung. Foto: Lucas Ludwig

Christian W. Pfrang, Lex Kolumnist, Financial Times

Deutsche Automobilhersteller gehören zu den größten Nutznießern reibungsloser internationaler Warenflüsse. In ihren optimierten internationalen Produktionsketten manifestiert sich die tiefe Abhängigkeit der deutschen Unternehmen von ungestörtem globalen Handel. Aber sowohl Präsident Xi Jinping als auch Präsident Donald Trump stören sich an der Beliebtheit deutscher Autos in ihren Ländern. Mit unterschiedlichen Mitteln arbeiten sie an der Verdrängung von Importen bzw. ausländischen Herstellern. Um langfristigen Schaden abzuwenden, müssten sich Autobauer – genau wie die deutsche Wirtschaft insgesamt – robuster aufstellen, anstatt den beiden Staatenlenkern formelhafte Drohungen auszusprechen.

Das Ausmaß der Vernetzung zeigt sich unter anderem darin, dass deutsche Hersteller von Chinas Antwort auf die Strafzölle der USA stärker betroffen sind als amerikanische Firmen selbst: Nach Schätzungen von IHS Markit werden BMW und Daimler dieses Jahr mehr Autos nach China einführen, die von ihnen in den USA produziert wurden, als irgendein anderer Hersteller. Zusammenaddiert beläuft sich die Schätzung auf mehr als die Hälfte der 280.000 Pkw-Importe im vergangenen Jahr.

Donald Trump kritisiert den Zollsatz von zehn Prozent auf Einfuhren amerikanischer Pkw in die EU – Amerikaner zahlen nur ein Viertel dieses Satzes, wenn sie Autos aus Europa importieren. Betrachtet man die Durchschnittswerte von Zöllen auf Kraftfahrzeuge allgemein oder schließt man alle Warenkategorien ein, schrumpft zwar die Differenz, aber selbst dann bleibt der Vorteil für die EU bestehen.

Produktionsnetzwerke reagieren sensibel auf härtere Handelsregeln

Striktere Handels- und Steuerregeln schaden den Fabrikationsnetzwerken der Automobilbranche. Diese optimiert den Sitz ihrer Produktionsstätten unter anderem nach Kosten-, Zoll- und Steuergesichtspunkten. Zwischenprodukte werden über Grenzen hinweg firmenintern geliefert. Eine Nachverhandlung der Regeln des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta zugunsten der USA könnte sich negativ auf die Profite der Fabriken in Mexiko auswirken, die oft hauptsächlich für den Import in die USA produzieren. Fabriken in den USA könnten unrentabler werden, wenn die Stahl- und Aluminiumpreise steigen, was im Falle der von Präsident Trump angedrohten Strafzölle wahrscheinlich wäre. Und die im vergangenen Jahr in den USA verabschiedete Steuerreform benachteiligt Zahlungen für firmeninterne Einkäufe und Zwischenwarentransfers aus dem Ausland schon jetzt.

China verfolgt den Plan, bis 2049 zum “Weltmarktführer in der verarbeitenden Industrie” aufzusteigen – und damit deutsche Unternehmen von ihrem Thron zu stoßen. Wenn es um Autos geht, soll dies durch Investitionen in die Elektromobilität geschehen. Chinesische Unternehmen kontrollieren jetzt schon einen großen Teil der Rohstoffe für die Herstellung von Batterien. Produktionsquoten für Elektroautos erzeugen Nachfrage, die heimischen Unternehmen wie zum Beispiel BYD zugutekommt. Und Technologiefirmen wie Baidu arbeiten an offenen Betriebssystemen für autonome Fahrzeuge. Diese Vorstöße sind letztlich staatlich koordiniert. Die Koexistenz mit deutschen Herstellern ist Mittel zum Zweck, nicht das eigentliche Ziel.

Die Hersteller sind anfällig für die Nötigungen, denen sie in China ausgesetzt sind, weil der dortige Pkw-Markt einer der profitabelsten der Welt ist. Analysten der Investment-Bank Jefferies addieren Lizenzeinnahmen zu den Profiten der chinesischen Joint Ventures von Daimler und Volkswagen und stellen fest, dass sich damit deren Margen dem Doppelten ihres jeweiligen weltweit erzielten Durchschnitts annähern. Volkswagen verkaufte 2017 etwa 40 Prozent seiner Pkw in China.

Rhetorik der USA und Chinas unterscheidet sich stark

Die Entwicklungen in beiden Ländern müssen ernüchternd wirken, auch wenn sich der Stil, mit dem sie vorangetrieben werden, stark unterscheidet. Präsident Trumps aggressive, aber transparente “Deal”-Rhetorik erregt die Gemüter. China dagegen betont seine Unterstützung für das Freihandelssystem, höhlt dessen Normen aber gleichzeitig im Stillen aus, zum Beispiel mit Kampagnen für die heimische Industrie. Die beiden Weltmächte sehen umgekehrt Scheinheiligkeit und deutsche Interessen hinter dem reflexhaften Verweis europäischer Akteure auf Multilateralismus.

Tatsächlich ist Deutschlands Außenwirtschaft die Geisel des Status quo. Eine Mitteilung der Bundesregierung vom 1. Mai im Zusammenhang mit der Aufschiebung der angedrohten Strafzölle auf Stahlimporte fordert „Gespräche“ zwischen den USA und der Europäischen Kommission, die ihrerseits angekündigt hat, zu Verhandlungen unter Drohungen nicht bereit zu sein. EU-Ratspräsident Tusk verlangte kürzlich eine „geschlossene europäische Front“. Falls der Unterschied im Ton ein Signal für aufkeimende Zwietracht ist, wäre die Verhandlungsmacht des EU-Blocks schon geschädigt. Ohnehin gibt es Mitgliedsstaaten, die Trumps Kritik an Deutschlands Wirtschaftsmodell im Prinzip teilen.

Deutsche Autobauer brauchen einen robusten Kernmarkt in Europa

Deutsche Autohersteller müssen lernen, mit einer stärkeren Segmentierung ihrer Märkte zu leben. Ein robuster europäischer Kernmarkt wird existenziell wichtig werden. In der Elektromobilität drohen eine Abhängigkeit von Batterieherstellern und letztlich der Wettbewerb mit chinesischen Autobauern. Die Fähigkeit, datenintensive Geschäftsmodelle für Car Sharing oder autonomes Fahren im Einklang mit europäischen Datenschutzrichtlinien zu entwickeln, ist ein Wettbewerbsvorteil. Und massentaugliche Brennstoffzellentechnologien würden die Abhängigkeit von Batterieherstellern und Rohstoffen eliminieren.

Gleichzeitig müsste die Bundesregierung dazu beitragen, die Ungleichgewichte in Deutschlands Leistungsbilanz durch heimische Investitionen unilateral zu reduzieren. Ausgaben sind nötig für die vernachlässigte Bundeswehr und die Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Sie würden Deutschland nützen, die Schlagkraft des europäischen Handelsblocks stärken und gleichzeitig den internationalen Druck auf deutsche Exporteure senken. Die Alternative lässt unser Wirtschaftsmodell so verwundbar, wie es ist – damit würden wir unsere wirtschaftliche Entfaltung und unseren politischen Handlungsspielraum aufs Spiel setzen.

Christian Pfrang schreibt für die Lex Kolumne der Financial Times über Wirtschaft und Kapitalmärkte in Asien. Davor hat er zunächst an der Brown University in angewandter Mathematik promoviert und dann in New York als Derivatehändler gearbeitet.

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