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„Die USA vor der Wahl: Kontinuität oder Paradigmenwechsel in den transatlantischen Beziehungen?“

Die Präsidentschaftswahl in den USA am 8. November beschäftigt nicht nur die Amerikaner. Auch Europa fragt sich, was die Gründe für den äußerst kontroversen Wahlkampf sind und welchen Stellenwert der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin den transatlantischen Beziehungen beimessen wird. Zwei Insider des Washingtoner Politikbetriebs waren am 27. Oktober in der Berliner Repräsentanz von Microsoft zu Gast, um über ihre Einblicke zu sprechen: Julie Smith, Senior Fellow und Director of the Strategy and Statecraft Program am Center for a New American Security und Michael Werz, Senior Fellow am Center for American Progress und Mitglied im Vorstand der Atlantik-Brücke.

Zunächst widmeten sich Smith und Werz der großen Popularität des umstrittenen, oft populistisch und betont politisch unkorrekten auftretenden Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Beide berichteten, dass niemand im politischen Washington Trumps Beliebtheit vorhergesehen habe. Dies zeige, so Julie Smith, dass die politischen Eliten nicht mehr am Puls der amerikanischen Gesellschaft seien. Viele Amerikaner seien unzufrieden mit der Politik, hätten kein Vertrauen in politische Prozesse und Institutionen und seien skeptisch gegenüber Amerikas Rolle in der Welt. In Trumps Slogan „Make America great again“ sähen viele ihre Kritik reflektiert und unterstützten Trump daher. Diese große Unzufriedenheit sei nicht in allen Fällen gerechtfertigt, betonte Julie Smith, trotzdem werde sie auch über die Wahlen hinaus ein Thema sein. Solle Hillary Clinton die Wahl gewinnen, müsse sie sich stärker überparteilich aufstellen.

Michael Werz hob hervor, dass er Hillary Clinton trotz aller Kritik, die es an ihr gebe, für eine starke Kandidatin halte. Sie habe bemerkenswert viel politische Erfahrung gesammelt. Er denke, dass sie als weibliche Präsidentschaftsanwärterin auf mehr Widerstände stoße als selbst Barack Obama als erster schwarzer Präsident. Smith ergänzte, dass Hillary Clinton auch als Senatorin und als amerikanische Außenministerin zunächst auf viel Skepsis stieß, ihre Kritiker aber durch harte Arbeite und Erfolge überzeugen konnte.

Auf die Frage, ob Clinton ein „hawk“ sei, also außenpolitisch militärische Lösungen bevorzuge, führte Smith aus, dass die Kategorie Clintons Haltung nicht adäquat beschreibe. Sie habe zwar dem amerikanischen Militär gegenüber keine ablehnende Haltung, spreche sich aber auch nicht in allen Fällen für eine militärische Lösung aus. Als Außenministerin habe sie sich für „smart power“ eingesetzt, die jeweils angemessene Wahl der außenpolitischen Mittel – militärisch, diplomatisch, ökonomisch oder kulturell.

Das Verhältnis zwischen Russland und den USA sahen beide kritisch. Es sei durchaus möglich, dass sich das Verhältnis weiter verschlechtere, auch unter Clinton oder Trump. Putin habe mit seinen Eingriffen in den amerikanischen Wahlkampf – die amerikanische Regierung wirft ihm den Hack eines Servers der demokratischen Partei vor – einen großen Fehler begangen. Sowohl Werz als auch Smith betonten, dass Amerika zwar die Kommunikation mit Russland aufrechterhalten müsse, Aggressionen wie in der Ukraine aber nicht tolerieren dürfe. Die aktuelle Weltlage als neuen kalten Krieg zu bezeichnen, so Werz, sei aber nicht treffend. Die Welt sei nicht mehr bipolar, es gebe mehr Akteure als nur Russland und die USA.

Europa werde unter einer Präsidentin Clinton ein zentraler Partner der USA sein, so Smith. Clinton werde Europa zwar auffordern, sich bei gemeinsamen Anliegen adäquat zu beteiligen; aber insbesondere Deutschland werde in Washington als enger und verantwortungsvoller Partner wahrgenommen. Michael Werz merkte an, dass Präsident Obamas „Schwenk nach Asien“ zwar nicht zurückgenommen werden könne, die USA aber alle wertvollen Partnerschaften ausbaue – nach Asien, nach Mexiko und Kanada, und nach Europa.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum ging es unter anderem um den Einfluss sozialer Medien auf die politische Stimmung in den USA, um die deutsch-amerikanische Partnerschaft und das Problem von Chatbots im Wahlkampf.

Katja Gloger, Autorin beim Stern, moderierte das Gespräch. Begrüßt wurden die Gäste von Prof. Dr. Burkhard Schwenker, stellvertretender Vorsitzender der Atlantik-Brücke, der auch in das Thema des Abends einführte. Die Veranstaltung bildet den Auftakt der Reihe Transatlantischer Dialog, die gemeinsam von Atlantik-Brücke und Microsoft ausgerichtet wird.

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