Regionalgruppe Frankfurt

„Emigranten wie Feininger brachten die neuesten Tendenzen nach New York“

„Emigranten wie Feininger brachten die neuesten Tendenzen nach New York“ Foto: Juergen Conzelmann

Zum Jahresabschluss 2023 lud die Regionalgruppe Frankfurt die Mitglieder der Atlantik-Brücke zu einer Führung durch die Lyonel Feininger-Ausstellung in die „Schirn Kunsthalle Frankfurt“ ein. Im Anschluss an die Führung hat uns Kuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer drei Fragen beantwortet:

Lyonel Feininger wurde als Kind deutscher Einwanderer in New York geboren. Zum Studium kam er nach Deutschland und blieb ein halbes Jahrhundert, bevor er Deutschland im März 1937 für immer den Rücken kehrte. Warum war der Amerikaner Feininger von Deutschland so angetan und wie hat das seine Arbeit beeinflusst?

Feininger sollte eigentlich Musik studieren, als er mit 16 Jahren nach Deutschland kam, sein anderes großes Talent war aber das Zeichnen. So begann er stattdessen ein Kunststudium, zuerst in Hamburg, dann in Berlin und hatte danach 15 Jahre lang eine erfolgreiche Karriere als Karikaturist und Mitarbeiter vieler renommierter Zeitungen. Erst mit 36 Jahren begann er zu malen, angeregt durch seine zweite Frau Julia Berg. Durch sie lernte er Weimar und Umgebung kennen, wo die Kirche von Gelmeroda sein langjähriges Lieblingsmotiv wurde. Feininger war grundsätzlich fasziniert von historischen und romantischen Orten mit engen Gassen und mittelalterlichen Häusern. Mit Julia ging er auch nach Paris und begegnete dort intensiv der europäischen Avantgarde, so etwa dem französischen Kubismus.

Wie seine Freunde Franz Marc, Paul Klee und Wassily Kandinsky wurde Feininger zu einem der bekanntesten und erfolgreichsten Künstler der 1910er und 20er Jahre. Mit seinen typischen kristallinen Architekturbildern gelangte er auch in die Sammlungen vieler deutscher Museen, denn sie trafen den Nerv der Zeit. Seine zweite, sehr bekannte Werkgruppe wurden die Darstellungen von Segelschiffen und einsamen Strandbildern an der Ostsee, wo sich Feininger jeden Sommer monatelang aufhielt.

Er war Teil der Künstlergruppe „Die Blaue Vier“ und arbeitete am Bauhaus in Weimar. Gibt es einen klar erkennbaren amerikanischen Einfluss in seiner Arbeit?

Der amerikanische Staatsbürger Feininger arbeitete 50 Jahre lang in Deutschland bevor er mit seiner jüdischen Frau Julia 1937 emigrieren musste. Auch sein Werk war wie das vieler anderer moderner Künstler in Deutschland von den Nationalsozialisten aus allen Museen entfernt worden. In seiner Heimatstadt New York brauchte er einige Jahre, um wieder Fuß zu fassen, fand dann jedoch mit einer Serie von Hochhäusern in Manhattan eine neue Themengruppe und veränderte auch seinen Stil, wurde abstrakter und grafischer.

Kuratorin Dr. Ingrid Pfeiffer (Foto: Gaby Gerster)

Er stand nun in Kontakt mit der amerikanischen Kunstszene und setzte sich mit den aktuellen Tendenzen auseinander, blieb aber gleichzeitig bestimmten Motiven treu, die er schon in Deutschland entwickelt hatte. Die farbigen Dias, die er im Spätwerk fotografierte, zeigen ungewöhnliche Kompositionen und Blicke auf New York und wirken heute besonders überraschend und zeitlos.

Wie haben sich die Beziehung in der Kunstwelt zwischen den USA und Deutschland seit damals geändert? Wie war das zu Feiningers Zeiten und wie ist das heute?

Viele Emigranten wie Feininger brachten in den 1940er und 50er Jahren die neuesten Tendenzen der europäischen Avantgarde nach New York, gleichzeitig entwickelten damals amerikanische Künstler wie Jackson Pollock die Abstraktion weiter und wählten im Unterschied zu den Europäern viel größere Formate – typisch USA. Diese Tendenz beeinflusste wiederum die europäische Kunstwelt und wurde erstmals auf der Documenta II 1959 in Kassel mit sehr viel Resonanz präsentiert. Seither ist der Austausch auf allen Gebieten sehr eng und wird es wohl auch bleiben, jedoch ist die Kunstwelt zunehmend global geworden.

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