In den USA wird gebaut, bei uns beantragt
Zukunft entsteht durch Entscheidung, nicht durch Abstimmung: Eindrücke von der Atlantik-Brücke-Mitgliederreise 2025 in den amerikanischen Südwesten.
Von Nicolaus Brendel
Wer verstehen will, warum die USA technologisch und sicherheitspolitisch führend sind, muss dorthin reisen, wo Innovation nicht diskutiert, sondern gemacht wird. Die diesjährige Mitgliederreise führte uns von Phoenix über Yuma nach San Diego – mitten hinein in das Herz der amerikanischen Defense- und Technologieszene. In Phoenix zeigte sich, wie eng etablierte Industrie, Startups und öffentliche Akteure zusammenarbeiten, wenn es um sicherheitsrelevante Technologien geht. Der Besuch bei Axon in Scottsdale – dem Unternehmen hinter den Taser-Systemen und Bodycams, die weltweit von Polizei und Sicherheitskräften eingesetzt werden – war ein Lehrstück in unternehmerischem Pragmatismus. Axon denkt nicht in Produkten, sondern in Systemen: Hardware, Software und Datenanalyse greifen nahtlos ineinander. Statt Governance-Debatten gibt es Zielklarheit und Entscheidungsfreude.
Auch die Region selbst verkörpert diesen Ansatz. Rund um Phoenix existiert ein Cluster aus Honeywell Aerospace, Raytheon, Boeing und Northrop Grumman, flankiert von Initiativen wie dem „Phoenix Xcelerator“, der Startups im Defense- und Dual-Use-Bereich gezielt unterstützt. Was hier zählt, ist Tempo – und das Vertrauen, dass Fortschritt aus Experimenten entsteht, nicht aus Formularen. Hier versteht man „Public-Private Partnership“ nicht als Schlagwort, sondern als Sandbox für Macher: Hindernisse werden beseitigt, Entscheidungen getroffen, Kooperationen einfach gemacht.
Der zweite Teil der Reise führte uns nach San Diego, eine Stadt mit der höchsten Konzentration militärischer Präsenz weltweit. Über 115.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, Hauptquartiere der US Navy Pacific Fleet und des Marine Corps, dazu Unternehmen wie General Atomics (MQ-9 Reaper), Shield AI (autonome KI-Systeme) und Firestorm Labs, ein junges Defense-Tech-Startup, das modulare Drohnen und Robotiksysteme in Rekordzeit entwickelt. Hier verschmelzen Forschung, Wirtschaft und Einsatzpraxis zu einem echten Innovationsökosystem.
Bemerkenswert war auch die gelebte „Sub-national Diplomacy“: Kooperationen entstehen nicht nur zwischen Regierungen, sondern direkt zwischen Städten,
Bundesstaaten, Universitäten und Unternehmen – ohne den Umweg über Washington. Dieser pragmatische Ansatz zeigt, dass internationale Partnerschaft längst nicht mehr allein Außenpolitik ist, sondern Wirtschafts- und Innovationspolitik auf regionaler Ebene.
Der Kontrast zu Deutschland könnte größer kaum sein: Dort, wo in den USA Partnerschaften geschlossen, Tests gefahren und Produkte gebaut werden, entstehen
hierzulande Strategie- und Maßnahmenpapiere. Die Reise hat eines deutlich gemacht: Zukunft entsteht durch Entscheidung, nicht durch Abstimmung. In den USA wird Zukunft gebaut – bei uns beantragt. Wenn Europa relevant bleiben will, muss es den Mut zurückgewinnen, in die Umsetzung zu kommen und zu machen.
Über den Autor: Nicolas Brendel ist Geschäftsführer der Honeysuckle GmbH in Leipzig.