Wirtschaft und Finanzen

„In einem Handelskrieg gibt es nur Verlierer“

Interview mit Friedrich Merz

Der Vorsitzende der Atlantik-Brücke spricht darüber, wie Europa auf die Zölle der US-Regierung auf Stahl und Aluminium reagieren sollte. Er begründet, warum nicht nur die USA, sondern auch Deutschland eine Steuerreform braucht, um wettbewerbsfähig zu bleiben, und warum Kanada jetzt ein entscheidender Partner für Europa ist.

Herr Merz, das Wachstum in den USA ist solide, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Warum also ergreift Präsident Trump protektionistische Maßnahmen?

Diese Frage stellen wir uns auf dieser Seite des Atlantiks alle: Was ist eigentlich in die amerikanische Regierung, beziehungsweise in den amerikanischen Präsidenten gefahren? Wahrscheinlich hat Präsident Trump erkannt, dass es der amerikanischen Industrie, im Verhältnis zu der deutschen und europäischen, sowie der chinesischen Industrie, zunehmend schwerfällt, wettbewerbsfähig zu bleiben. Selbst seine Unterstützer in der republikanischen Partei stellen sich die Frage, ob Zölle die richtige Lösung für diese Situation darstellen. Das wiederum ist allerdings auch beruhigend.

Schneiden sich die Amerikaner mit diesen Maßnahmen ins eigene Fleisch?

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass solche Handelskriege von niemandem gewonnen werden können und es nur Verlierer gibt. Eine Eskalation wird auch dieses Mal keine anderen Folgen haben.

Dass Trump Protektionismus für gut und richtig hält, ist keine Überraschung; er hat aus dieser Haltung nie einen Hehl gemacht. Hätten die Europäer besser vorbereitet sein können?

Wir tun in jedem Fall gut daran, auch Ankündigungen, deren Inhalt wir nicht teilen, ernst zu nehmen. Trump tut nichts anderes, als seine bereits im Wahlkampf angekündigten Ziele umzusetzen – die im Übrigen der seit Langem von der Mehrheit der Amerikaner gehegten Meinung entsprechen. Wir haben Glück gehabt, dass in den letzten Jahrzehnten Regierungen im Amt waren, die diese Mehrheitsmeinung nicht geteilt haben. Die Drohung mit Zöllen auf geradezu symbolhafte Produkte der Amerikaner, wie beispielsweise Harley Davidson, Whiskey und Levi’s Jeans, zielte gerade in die Wahlkreise der republikanischen Abgeordneten, die die Zölle noch hätten verhindern können. Das war die Hoffnung, die sich mit den Gegenmaßnahmen der EU verband, die vom Handelsvolumen eher nachrangig sind. Insofern steckte in der europäischen Antwort auch gleichzeitig die ausgestreckte Hand.

Müssen die Europäer sich Sorgen machen, dass gerade die Kombination von Handelsschranken und Steuerreform europäische Unternehmen in die USA abwandern lässt?

Die Steuerreform der Regierung muss man im Detail analysieren. Es sind sicherlich einige sehr mutige Steuersenkungsschritte enthalten, die Trump in seinem Wahlkampf im Übrigen auch angekündigt hat. Möglicherweise verstößt der ein oder andere Teil dieser Steuerreform gegen internationale handelsrechtliche Bestimmungen. In diesem Fall wird man dagegen etwas tun müssen, was selbstverständlich langwierig sein würde. Bis dahin werden sich die Wettbewerbsbedingungen für amerikanische Standorte weiter verbessern. Ich hatte eigentlich gehofft, dass die Europäer und insbesondere die Deutschen während ihrer Koalitionsverhandlungen dieses Thema zumindest am Rande beachten. Das haben die Koalitionspartner offensichtlich nicht so gesehen, also wird der Steuerwettbewerb mit Amerika schärfer.

„Wir brauchen in Deutschland ein Unternehmenssteuerrecht, ganz unabhängig von der Rechtsform der Unternehmen.“

Wie würde eine solche Steuerreform sinnvollerweise aussehen?

Wir brauchen in Deutschland ein Unternehmenssteuerrecht, ganz unabhängig von der Rechtsform der Unternehmen. Auch wenn es sich um Personengesellschaften handelt, sollten Unternehmen einheitlich besteuert werden. Diese Unternehmen sollten wiederum niedriger besteuert werden, als dies gegenwärtig durch die Kombination von Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer der Fall ist. Wenn man das Ganze sogar noch im Hinblick auf die steuerliche Bemessungsgrundlage mit den europäischen Nachbarn abstimmen könnte, könnte daraus eine konsistente europäische Steuerpolitik werden. Davon sind wir im Augenblick aber noch weit entfernt.

Sie haben das internationale Handelsrecht erwähnt. Inwiefern sehen sie die WTO gerüstet für einen drohenden Wirtschaftskrieg?

Im Grunde ist die WTO über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich weiter geschwächt worden. Dort ein Verfahren anzustrengen ist möglich, dauert aber lange. Deswegen ist die WTO momentan keine wirkungsvolle Institution. Gerade jetzt wäre es darum gut, ein Handelsabkommen mit den USA einzugehen.

„Die WTO ist momentan keine besonders wirkungsvolle Institution.“

Durch TTIP würde es uns ermöglicht, im Rahmen dieses Handelsabkommens und der damit verbundenen Schiedsklausel auch entsprechende Verfahren vor einem Schiedsgericht in Washington anzustrengen, die sich gegen die Handelspolitik und möglicherweise auch gegen die Steuerpolitik der amerikanischen Regierung richtet. Da wir dies jetzt nicht haben, wird auch dieser Konflikt schwerer zu lösen sein. Ich kann das nur bedauern. Alle diejenigen, die damals in Deutschland vehement gegen TTIP demonstriert haben, finden sich jetzt plötzlich an der Seite von Donald Trump wieder.

Wie würden Sie Donald Trump von TTIP überzeugen, wenn sie eine Chance zu einem Gespräch mit ihm bekämen?

Ich würde zunächst einmal darauf verweisen, dass alle Wirtschaftsräume, die sich zu solchen Handelsabkommen zusammengeschlossen haben, immer profitiert haben. Das ist nie ein Nullsummen-Spiel gewesen, sondern hat immer zum gegenseitigen Nutzen aller Beteiligten beigetragen.

„Wollen wir uns als Wertegemeinschaft wirklich über einen solchen Handelskonflikt weiter schwächen?“

Des Weiteren befinden wir uns nicht nur in einem zunehmend schärfer werdenden globalen Wettbewerb, sondern auch, so sagt es Heinrich August Winkler, im „Kulturkampf um die Zukunft unserer freiheitlichen und liberalen Gesellschaft“. Anschließend würde ich Präsident Trump fragen, wen er an der Seite des amerikanischen Volkes sieht, wenn nicht die Europäer? Wollen wir uns als Wertegemeinschaft wirklich über einen solchen Handelskonflikt weiter schwächen? Wollen wir wirklich zulassen, dass vor allem die Chinesen sich heimlich darüber freuen, dass die Amerikaner und Europäer so uneins sind? Oder wollen wir denen nicht besser gemeinsam die Stirn bieten und sagen: „Offene Märkte sind auch nur mit offenen Gesellschaften vereinbar“?

Wenn die Amerikaner sich einem Handelsabkommen mit Europa gegenüber weiterhin ablehnend zeigen, was muss Europa tun?

Dann gibt es aus meiner Sicht zwei Antworten. Die erste ist die Tatsache, dass wir in der Handelspolitik in Europa engstens zusammenarbeiten müssen – und das funktioniert ja auch. Auch das Handelsabkommen mit China ist auf dem Weg, genauso wie das Handelsabkommen mit Japan, und viele andere sind bereits verabschiedet. Die Europäische Union ist außerhalb des transatlantischen Bereichs in der Handelspolitik sehr aktiv und erfolgreich. Die zweite Antwort wäre ein noch engerer Zusammenschluss mit Kanada.

„Kanada ist in der gegenwärtigen Lage ein Schlüsselland für die internationale Handelspolitik geworden.“

Der handelspolitische Teil von CETA ist in Kraft, womit Kanada eine Schlüsselfunktion im globalen Handel bekommt. Kanada hat jetzt mit Europa sowie über NAFTA mit Amerika und Mexiko Handelsabkommen. Die Kanadier sind zudem TPP beigetreten und haben somit Zugang zu allen drei großen Wirtschaftsräumen der Welt. Kanada ist in der gegenwärtigen Lage ein Schlüsselland für die internationale Handelspolitik geworden.

Interview: Katharina Draheim

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