Wirtschaft und Finanzen

„Inflation schadet immer den vulnerablen Bevölkerungsgruppen zuerst“

3 Fragen an...Andreas Dombret

Im Atlantik-Brücke-Kurzinterview im Anschluss an das Frankfurt Luncheon im März 2023 spricht Prof. Dr. Andreas Dombret, Atlantik-Brücke Vorstandsmitglied und Global Senior Advisor bei Oliver Wyman, und ehemaliges Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, über die Folgen des Ukraine-Krieges für die Weltwirtschaft und die anhaltend hohen Inflationsraten in der EU und den USA. 

Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine vor über einem Jahr haben westliche Unternehmen zunehmend ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in Russland eingestellt. Gleichzeitig versuchen sie, in strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen unabhängig zu werden, Stichwort Decoupling und Regionalisierung. Welche langfristigen Folgen erwarten Sie vor diesem Hintergrund für die Weltwirtschaft?

Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und China ist seit Februar des letzten Jahres noch enger geworden als zuvor, und China wird zu einem immer wichtigeren Exportland für russisches Öl und Gas. Insofern sind Befürchtungen, dass sich der Weltmarkt zunehmend fragmentiert, ernst zu nehmen. Jede Volkswirtschaft denkt darüber nach, welche Produkte strategisch von besonderer Bedeutung sind und plant, diese entweder selbst herzustellen oder aber von befreundeten Nationen zu beziehen. Die Halbleiterindustrie ist hierfür ein prägnantes Beispiel. China wird seine Bedeutung als verlängerte Werkbank des Westens aufgrund der engen Beziehung zu Russland zunehmend einbüßen. Diese Entwicklung wirkt inflationär und verstärkt den aktuellen Preisauftrieb noch weiter.

Die anhaltend hohen Inflationsraten belasten Unternehmen und Haushalte gleichermaßen. Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung gefährlicher für die Gesellschaft werden kann als eine Rezession der Wirtschaft. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Meine Aussage stammt aus der Sicht eines ehemaligen Notenbankers. Das Mandat der Zentralbanken ist und bleibt die Bekämpfung von Inflation und die Bewahrung bzw. Wiederherstellung von Preisstabilität. Von diesem Ziel sind die EZB, die Federal Reserve und die Bank of England, um nur die wichtigsten Notenbanken zu nennen, aktuell weit entfernt. Inflation schadet immer den vulnerablen Bevölkerungsgruppen zuerst und führt zu großer Verunsicherung innerhalb der Gesellschaft. Insofern müssen Zentralbanken ihrem Mandat treu bleiben, um ihre Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen. Eine Rezession läßt sich in solch einem Szenario nicht komplett vermeiden, wobei natürlich ein „soft landing“ immer wünschenswert ist.

Sowohl die Europäische Zentralbank als auch die Federal Reserve erhöhen seit Monaten gleichermaßen ihre Leitzinsen. Während Sie die Zinspolitik der EZB wiederholt in Interviews gelobt haben, kritisieren Sie jedoch die Zinspolitik der Fed. Könnten Sie Ihre Beurteilungen näher ausführen?

Das ist so nicht ganz korrekt. Sowohl EZB wie Fed haben sich inzwischen entschlossen auf den Weg gemacht, die Inflation zurück zu ihrem Zielwert zu führen. Allerdings sind die ökonomischen Voraussetzungen der beiden Wirtschaftsräume unterschiedlich: Während die Eurozone, ausgelöst durch den Krieg in der Ukraine, einem massiven Angebotsschock ausgesetzt wurde, ist dies in den USA nicht annähernd so der Fall. Daher kann und sollte man die Inflation, die ja ihrerseits Auslöser der jeweiligen Geldpolitik ist, nicht einfach 1 zu 1 miteinander vergleichen. Viel wichtiger ist aber: Beide Zentralbanken sind nun dabei, alles Geldpolitische zu tun, um der jeweiligen Situation Herr zu werden. Und ich bin zuversichtlich, dass sich sowohl die Fed wie auch die EZB dabei in die richtige Richtung bewegen, solange sie ihren eingeschlagenen Kurs konsequent beibehalten. Das wünsche ich mir.

 

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