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Kampf um kluge Köpfe

Kampf um kluge Köpfe Foto: Brooke Cagle_Unsplash

Der Arbeitsmarkt für Fach- und Führungskräfte in Arizona und Südkalifornien boomt: Investitionen, Hochschulkooperationen und Ansiedlungen stärken Branchen wie Halbleiter, Life Sciences und Verteidigung. Schnellere, praxisnahe Ausbildungskonzepte sind gefragt, um den wachsenden Talentbedarf nachhaltig zu sichern.

Von Dr. Tiemo Kracht

Arizona / Phoenix: Wachstum, Investitionen und gezielte Workforce-Programme

Phoenix und das zentrale Arizona haben in den vergangenen Jahren einen deutlichen Anstieg an ausländischen Direktinvestitionen erlebt; die Landesförderung berichtet über mehr als hundert FDI-Projekte und zweistellige Milliardeninvestitionen, die tausende Arbeitsplätze schaffen. Dies wird ergänzt durch große Ansiedlungen aus Sektorengruppen wie Halbleiter, E-Mobilität und Life-Sciences (Beispiele: LUCID Motors / Werke in der Region, Bayer mit seinem Marana Innovation Center, sowie Technologie-Unternehmen wie Axon mit starker Präsenz in der Metro-Area) – allesamt auf dem beeindruckenden Reiseprogramm der Atlantik-Brücke.

Die Reaktion der Bundes- und Landesbehörden auf den erhöhten Fachkräftebedarf ist mehrgleisig: Arizona setzt konsequent auf „workforce accelerators“ und auf enge Allianzmodelle zwischen Community Colleges, Universitäten und Unternehmen. Ein zentrales Instrument sind die sogenannten Future48 Workforce Accelerators — regionale Trainingszentren (u. a. ein Semiconductor-fokussierter Accelerator in Phoenix / Gateway Community College), die technisch-spezifische, praxisnahe Kurse, Zertifikate und Kooperationen mit Firmen (z. B. Halbleiter-Fabriken) anbieten. Diese Programme sind darauf ausgelegt, junge Erwachsene und Umschülerinnen innerhalb kürzerer Zeit in produktions- und techniknahe Rollen zu bringen.

Außerdem treiben Universitäten wie Arizona State University oder die University of Arizona (über Forschungs- und Prototyping-Hubs) enge Partnerschaften mit Unternehmen voran — von Praktika über gemeinsame Laborprojekte bis zu gezielten Upskilling-Programmen für bestehende Mitarbeitende. Besonders sichtbar ist dies im Halbleiterbereich: große Hersteller erweitern ihre Ausbildungsprogramme, um eigene Arbeitskräfte heranzuziehen und langfristig an die Region zu binden. Ein Beispiel sind deutlich ausgebaute Internship-Programme, mit Hunderten von Studierenden-Plätzen, die speziell auf die Bedürfnisse von Fabriken und Verpackungsanlagen zugeschnitten sind.

Südkalifornien / San Diego: Forschung, Verteidigung und binationaler Arbeitsmarkt

San Diego zeichnet sich durch ein dichtes Innovations-Ökosystem aus: Spitzenuniversitäten (UC San Diego, SDSU), Forschungsinstitute (Scripps, Salk u. a.), ein starkes Biotech-Cluster und zahlreiche Defense-Startups prägen die Nachfrage nach hochqualifizierten Fach- und Führungskräften. Regionalverbünde wie „Advancing San Diego“ und die San Diego Workforce Partnership arbeiten gezielt daran, Ausbildungsgänge mit den realen Anforderungen der Arbeitgeber zu synchronisieren — unter anderem durch die Identifikation nachgefragter Berufsprofile, die Akkreditierung „verified programs“ an Colleges und die Vermittlung von Praktika und Pre-Apprenticeships. Das Ziel ist, Tausende neu qualifizierte Arbeitskräfte für die wachsenden Sektoren zu gewinnen und dabei die Zugehörigkeit zur Region zu erhöhen. All dies in Verknüpfung mit dem Arbeitsmarkt im benachbarten Mexiko.

Die internationale Ausrichtung von San Diego wird institutionalisiert durch Akteure wie das World Trade Center San Diego (WTCSD) und die Regional Chamber: Lucas Coleman (WTCSD) etwa bündelt Export- und Investitionsförderung, während Kenia Zamarripa (San Diego Regional Chamber) die internationalen Beziehungen und binationalen Geschäftsbeziehungen (insbesondere US-Mexico) vorantreibt — wichtige Stellhebel, um durch Außenwirtschaft neuen Markt- und Kapitalzugang mit Talentgewinnung zu verknüpfen.

Maßnahmen zur Sicherung von Talentpool und Führungsnachwuchs:

  1. Praxisnahe, modulare Ausbildung: Community Colleges und Universitäten entwickeln kurze Zertifikats- und Accelerated-Track-Programme (Semiconductor Tech, Advanced Manufacturing, IT, Cybersecurity), die direkt auf Einstiegs- und Fachkräftebedarfe ausgerichtet sind. Staatliche Zuschüsse und Partnerschaften mit Firmen sichern Equipment und Curriculum.
  2. Unternehmensnähe und Co-Design: Firmen (Axon, Lucid, Bayer, Firestorm u. a.) beteiligen sich an Curriculum-Design, bieten Praktika, Trainee-Programme und Werkverträge — das erhöht die Chancen, Nachwuchs direkt aus Ausbildungsprogrammen zu rekrutieren. (Bei spezialisierten Startups wie Firestorm Labs entstehen zudem hohe Anforderungen an additive Fertigung und Systems-Engineering; solche Unternehmen investieren in lokale Schulungs- und Rekrutierungsprogramme.)
  3. Führungskräfteentwicklung & Retention: Neben technischer Ausbildung braucht es Formate für Führungsnachwuchs (Managementmodule, bilinguale/ binational arbeitende Leadership-Programme, Branchen-Mentoring). Öffentliche Stellen (Wirtschaftsförderungen, Handelskammern) fördern hierzu Matching-Programme zwischen KMU und Hochschulen.
  4. Inklusion und Zugänglichkeit: Programme zur Reduzierung von Einstiegshürden (Transport, Kinderbetreuung, finanzielle Unterstützung) und bewusste Outreach-Strategien erhöhen die Wirkung von Upskilling-Initiativen — besonders in Regionen mit hoher sozio-ökonomischer Diversität.
  5. Internationalisierung als Talentstrategie: FDI-Anwerbung wird zunehmend gekoppelt an Talent-Roadmaps: Investoren erwarten Zugang zu ausgebildeten Arbeitnehmenden, Research-Partnerschaften und Förderprogramme; die Landesförderungen (Arizona Commerce Authority, EDCs in San Diego) treten deshalb nicht nur als Kapital-, sondern auch als Talentbroker auf.

Fazit — Chancen und Herausforderungen

Phoenix und San Diego stehen exemplarisch dafür, wie moderne Wirtschaftszentren Ausbildung, Forschung und Investitionsförderung zusammenführen müssen, um Fach- und Führungskräfte nachhaltig zu sichern. Erforderlich sind weiterhin enge Public-Private-Partnerships, frühe Berufsorientierung, skalierbare Accelerators sowie Führungskräfte-programme mit internationaler Ausrichtung. Für deutsche Investoren und Unternehmen vor Ort lohnt sich der Blick auf die regionalen Ausbildungsangebote (Community Colleges, ASU/UA, UCSD/SDSU), auf konkrete Kooperationsmodelle für Praktika / Traineeships und auf die lokalen Wirtschaftsförderer, die neben Flächen und Förderkonditionen auch Talent-Zugang vermitteln. Durch diese integrierten Maßnahmen können Phoenix und San Diego nicht nur Kapital und Märkte, sondern vor allem den entscheidenden Rohstoff für Wachstum — qualifizierte Menschen und Führungskräfte von morgen — sichern.

Über den Autor:
Dr. Tiemo Kracht ist Gründer und Inhaber der BOARD CONNECT GmbH und seit nahezu 30 Jahren eine feste Größe im Executive Search in Deutschland.

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