Wirtschaft und Finanzen

„Klassische Hierarchien sind oft eher hinderlich“

Interview mit Professor Dr. Elke Eller
„Klassische Hierarchien sind oft eher hinderlich“ Prof. Dr. Elke Eller Foto: Christian Wyrwa

Professor Dr. Elke Eller, Professorin für Strategic HR Management an der Hochschule Worms, sprach im Rahmen des Frankfurt Luncheon der Atlantik-Brücke am 12. Mai 2023 über die Transformation der Arbeitswelt. Nach verschiedenen Positionen im Personalmanagement bei der Volkswagen AG wurde Prof. Dr. Eller im Jahr 2015 als Personalvorständin der TUI Group berufen. Seit ihrem Ausscheiden im Jahr 2021 lehrt sie als Professorin für Strategic HR Management an der Hochschule Worms und ist Mitglied des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel sowie der K+S Group. Im Anschluss an das Frankfurt Luncheon führten wir ein kurzes Interview mit Prof. Dr. Elke Eller.

In Ihrem Vortrag haben Sie über die Transformation der Arbeitswelt gesprochen. Was treibt diese Transformation an?

Da ist auf der einen Seite die Digitalisierung aller Lebensbereiche. Das bedeutet, dass auch die Unternehmen derzeit mitten in der digitalen Transformation stecken. Für jedes Unternehmen bedeutet Digitalisierung eine anders gelagerte Herausforderung – Prozesse werden grundlegend geändert, ganze Geschäftsmodelle werden herausgefordert. Und gleichzeitig bringt die Digitalisierung neue Technologien hervor, wie zum Beispiel Machine Learning oder generative Künstliche Intelligenz. Sie werden tiefgreifende Veränderungen unserer Arbeitsweisen bewirken. Bis hin zu dem Punkt, wo diese Technologien auch Aufgaben von den Menschen übernehmen, teilweise sehen wir das ja bereits. Diese beiden Aspekte der Digitalisierung treffen nun auf einen gesellschaftlichen Wertewandel. Das macht im Zusammenspiel mit der Digitalisierung die Transformation der Arbeitswelt so tiefgreifend.

Wie äußert sich der von Ihnen beschriebene Wertewandel in den Unternehmen?

Fragen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, hybride Arbeitsmodelle, individuelle Entwicklungschancen für Mitarbeitende – das sind Themen, die heute mehr sind als Erfindungen von cleveren HR-Experten, mit denen Mitarbeitende zur Arbeit gelockt werden. Sie sind verwurzelt in den Wertevorstellungen der Menschen. In der Führung von Teams sehen wir, wie der Wertewandel auch neue Formen von Führung erfordert. Individualität hat heute einen hohen Stellenwert. Die Mitarbeitenden setzen neue Prioritäten beim Zusammenspiel von Arbeit und Leben, der Job und Leben müssen heute zusammenpassen. Da hat der „One Size Fits All“-Ansatz von Führung ausgedient. Moderne Personalführung bedeutet, auf Mitarbeitende einzugehen, ihre Potentiale zu erkennen und sie dann zu befähigen, ihre Ideen einzubringen. Führungskräfte werden zum Coach.

Sind hierarchische Organisationsstrukturen, wie es sie heute oft noch gibt, denn der richtige Rahmen für die von Ihnen beschriebene moderne Arbeitswelt?

Wenn Technologie und Business immer stärker zusammengehen, Silos aufgebrochen werden, um ganzheitlich an Themen zu arbeiten und das bereichsübergreifende Projekt der Normalzustand ist – dann sind klassische Hierarchien oft eher hinderlich. Ich bin überzeugt, dass die Organisationsstrukturen fließender werden. Das wird zum Beispiel auch bedeuten, dass Fachkarrieren in Unternehmen noch viel stärker in den Fokus rücken werden. Führung wird nicht immer mit Personalverantwortung einhergehen müssen, sondern auch mit ausgewiesener Expertise in für das Unternehmen wichtigen Wissensgebieten. Die Frage in solchen fließenden Organisationsstrukturen ist, wie Gemeinsamkeit entsteht. In der Vergangenheit hat die Organisationsstruktur Unternehmen geprägt, dank des Organisationsplanes wusste jeder, wo er im Unternehmen steht. Ich bin überzeugt, dass in der modernen Arbeitswelt die Kultur das prägende Element sein wird.

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