Deutsch-Kanadische Konferenzen

Gespräche im Zeichen deutsch-kanadischer Partnerschaft

Die 35. Deutsch-Kanadische Konferenz hat ein Signal zur Zusammenarbeit in vielfältiger Hinsicht zwischen beiden Ländern gesendet. Dies verdeutlichten bereits die Begrüßungen durch Botschafter Stéphane Dion, Botschafterin Sabine Sparwasser, Nik Nanos, Chairman der Nanos Research Group of Companies und Vorsitzender der Atlantik-Brücke Canada, und Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantik-Brücke.

Hochrangige Delegationen mit Vertretern aus Politik Wirtschaft, Wissenschaft und den Medien, widmeten sich vier besonders wichtigen Aspekten der deutsch-kanadischen Partnerschaft: Die erste Panel-Diskussion erörterte die Implikationen des Krieges in der Ukraine für die transatlantische Allianz und die Folgen der Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Scholz. Die Expertinnen und Experten stellten fest, dass die alte Weltordnung auf dem Rückzug sei und die neue internationale Ordnung sich noch nicht herausgebildet habe. Präsident Putin sehe die Chance, dass ein zaristisches Russland als eurasische Macht zurückkehre, um nicht nur die USA und China als einzige Großmächte in der Welt anzuerkennen. Insgesamt gewinne Geopolitik an Bedeutung. Man könne davon ausgehen, dass die russische Aggression gegen die Ukraine ein langer Krieg werde, der sich womöglich über Jahre hinziehe. Um die Vertraulichkeit zu wahren, wurde die Konferenz unter der Chatham House Rule abgehalten.

Schutz für Finnland und Schweden vor Aufnahme in die NATO

Die NATO sehe sich wieder mit einer Bedrohung durch Russland konfrontiert, wurde in der Diskussion festgehalten. Die Enhanced Forward Presence des Bündnisses im Baltikum schrecke Russland erfolgreich ab, und der Artikel 5 des NATO-Vertrages funktioniere im Beistandsfall für Mitglieder der Allianz – aber eben nicht für Staaten, die keine NATO-Mitglieder seien. Dies werfe die Frage auf, wie das Bündnis Finnland und Schweden, die NATO-Mitglieder werden wollen, in der Zwischenzeit vor einer russischen Bedrohung schützen könne. Es wurde vorgeschlagen, dass die NATO denjenigen Ländern Ausbildung und Ausrüstung zur Verfügung stelle, die Hilfe brauchen. Die in Deutschland eingeleitete Zeitenwende drücke aus, jetzt mit der sicherheits- und verteidigungspolitischen Realität aufzuholen. Allerdings gehe damit noch keine Vorbereitung auf zukünftige Bedrohungen und das Krisenmanagement bei militärischen Auseinandersetzungen einher. In einem weiteren Beitrag wurde betont, dass es jetzt um einen Perspektivwechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik gehe, der das ökonomische Modell mitdenke. Dieses basiere bisher darauf, zu einem erheblichen Grad in die internationale Wertschöpfung integriert zu sein. Es sei eine gewaltige Herausforderung für Deutschland, sein ökonomisches Modell in eine CO2-freie und nachhaltigere Wirtschaft zu verwandeln. Was das Verhältnis des Westens zu China angehe, gelte es, eine Balance aus Zusammenarbeit, Wettbewerb und Konfrontation herzustellen.

Die zweite Panel-Diskussion setzte sich mit der deutsch-kanadischen Kooperation bei Innovation und Wissenschaft auseinander. Die Expertinnen und Experten betonten, dass Unternehmen beider Länder bzw. mit Standorten in Deutschland und Kanada vor allem mit Herausforderungen des Klimawandels, Global Health und der internationalen Sicherheit konfrontiert seien. Innovation sei in diesem Kontext die Lebensader für Unternehmen und die Grundlage für Wohlstand, wobei Tempo und Qualität der Innovation entscheidend seien. Unternehmen benötigten ein von der Politik gesetztes regulatorisches Rahmenwerk, das Innovation besser als bisher fördere und höhere Risiken in Kauf nehme, betonte ein Teilnehmer der Diskussion.

Kanadas Potenzial für grünen Wasserstoff

Wenn Kanada und Deutschland die Sektoren Industrie, Verkehr, Gebäude und Energie ohne Emissionen von Kohlenstoffdioxid etablieren wollten, müssten beide Länder konsequent erneuerbare Energien fördern. Eine positive Folge davon wäre, sogenannten grünen Wasserstoff per Elektrolyse zu gewinnen, für die eine hohe Menge erneuerbarer Energien notwendig ist. Kanada habe enormes Potenzial für grünen Wasserstoff. Bei grünem Wasserstoff könnten Deutschland und Kanada effektiver kooperieren, was Forschung und Entwicklung angeht. Wissenschaftszentren, Universitäten und Unternehmen sollten enger zusammenarbeiten, um Innovationen zu erzeugen. In einem weiteren Beitrag wurde betont, dass es dafür eine Infrastruktur brauche, die Fördereinrichtungen dabei unterstütze, in Unternehmen zu investieren. Dies helfe insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen. Die Diskussionsrunde war sich darin einig, dass die Pandemie viele Beispiele dafür geliefert habe, was durch Innovationen im Bereich von Impfstoffen möglich sei.

Die dritte Panel-Diskussion befasste sich mit der Zukunft der Geo-Ökonomie und der durch Disruptionen herausgeforderten ökonomischen Resilienz. Geopolitik werde für eine lange Zeit Geo-Ökonomie dominieren, so ein Beitrag. Denn während ökonomische Integration über die Bildung von Netzwerken ablaufe, könnte nun eine Phase beginnen, in der geopolitische Hierarchien zurückkehrten. Deutschlands auf Industrie basierendes und am Export orientiertes Wirtschaftsmodell sei momentan noch abhängig von russischem Erdgas und chinesischer Nachfrage. Was dies für ein Entkoppeln von Märkten und Zurückverlagern von Lieferketten in Heimatmärkte bedeute, sei eine offene Frage. Technologie-, Klima- und Sicherheitsklubs internationaler Partner seien ein möglicher Lösungsansatz.

CETA ist in Deutschland weiterhin nicht vollständig ratifiziert

Für die kanadische Regierung seien resiliente Produktionskapazitäten im Inland, nationale Sicherheit bei kritischer Infrastruktur wie dem Mobilfunkstandard 5G und von CO2-Emissionen freie Lieferketten im Kampf gegen den Klimawandel von großer Bedeutung. Einig waren sich alle Expertinnen und Experten, dass es nicht nachvollziehbar sei, warum CETA in Deutschland nach wie vor nicht komplett ratifiziert sei. Am Schiedsgerichtsverfahren zur Beilegung von Disputen zwischen Investoren und Staaten dürfe dies nicht scheitern. Es gelte, die Standards für Hochtechnologie für weite Teile der Welt zu setzen. Kanada und Deutschland seien insbesondere durch das Freihandelsabkommen RCEP von 15 indopazifischen Staaten, darunter China, Südkorea und Japan, herausgefordert. Mit Blick auf die hohe Inflation in der Eurozone und in den USA sei es wichtig, eine drohende Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, hieß es. Mittelfristig müssten die Leitzinsen in Europa zur Eindämmung der Inflation steigen.

Die abschließende Panel-Diskussion hatte Energiesicherheit und den Energiewandel zum Thema. Die deutsche Bundesregierung verfolge derzeit zwei parallele Stränge. Zum einen müsse Deutschland die Bezugsquellen von Gas diversifizieren und zum anderen erneuerbare Energien erheblich ausbauen. Hinzu komme im Falle Deutschlands eine starke Abhängigkeit von China bei kritischen Ressourcen wie seltenen Erden. Es wurde angemerkt, dass Kanada trotz der CO2-Emissionen LNG nach Europa exportieren sollte. Denn kanadisches Erdgas verursache weniger Emissionen als russisches Erdgas, emittiere weniger CO2 als Steinkohle, und die nötige LNG-Infrastruktur sollte langfristig für den Transport von Wasserstoff genutzt werden, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Eine andere Expertin plädierte dafür, den Fokus Kanadas und Deutschlands jetzt konsequent auf Energieeffizienz zu legen, und zwar mit harten Maßstäben wie vor allem höheren CO2-Preisen.

Kanada weise derzeit einen enorm hohen Energieverbrauch auf, wurde betont. Dies hänge mit sehr günstigen Energiepreisen zusammen. Hier könnte eine höhere Steuer einen Lenkungseffekt erzielen. Und Kanada sollte das Monitoring des Energieverbrauchs von Wohnhäusern verpflichtend einführen, um Transparenz zu schaffen. Das Carbon Capture and Storage, die Speicherung von Kohlenstoffdioxid im Untergrund, sollte ebenfalls ein Baustein im Kampf gegen den Klimawandel sein. Konsens herrschte in der Runde darüber, dass der Energiewandel sozial gerecht ablaufen müsse, da sonst der gesellschaftliche Zusammenhalt in Demokratien in Gefahr gerate. Wenn es zwei reichen Ländern wie Deutschland und Kanada gelinge, CO2-neutral zu werden, würden andere Länder – insbesondere aus dem globalen Süden – diesem Beispiel folgen.

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