„Krypto-Assets sind ein Nischenphänomen“

Auch wenn die Nachfrage nach digitalen Zahlungsformen steigt, stellen Krypto-Assets nicht zuletzt wegen ihrer hohen Volatilität im Euroraum bisher ein Nischenphänomen dar. Bei einem Frankfurt Luncheon am 22. August 2025 sprach Prof. Dr. Fritzi Köhler-Geib, Vorstandsmitglied, Deutsche Bundesbank, über „Krypto-Assets – Die Alternative zu einer stabilen Währung?“ Nach der Veranstaltung stand sie uns für ein Interview zur Verfügung.
Atlantik-Brücke: Frau Köhler-Geib, Sie vertreten die Auffassung, dass Krypto-Assets keine Alternative zu einer stabilen Währung darstellen, auch wenn ihre Bedeutung zunimmt. Könnten Sie aufzeigen, was Sie zu dieser Einschätzung bewegt?
Köhler-Geib: Ich gucke insbesondere aus IT-, Risikocontrolling- und Forschungssicht auf Krypto-Assets. Stand heute sind Krypto-Assets im Zahlungsverkehr noch immer ein Nischenphänomen. Ein Beispiel: Mit der Blockchain von Bitcoin werden derzeit im Schnitt weltweit täglich 450.000 Transaktionen abgewickelt. Das geht auf eine technische Beschränkung zurück. Im Vergleich dazu wurden im herkömmlichen Zahlungsverkehr allein in Deutschland im Jahr 2023 jeden Tag durchschnittlich 19 Millionen Überweisungen getätigt. Unter anderem daran zeigt sich, dass Bitcoin wie auch viele weitere Krypto-Assets die grundlegenden Funktionen von Geld nicht erfüllen. Sie werden stattdessen vorrangig als Anlage- beziehungsweise Spekulationsobjekte genutzt. Ihr Wert hängt wesentlich von der Marktstimmung ab, weshalb sie sehr volatil sind.
Stablecoins sind mit realen Vermögenswerten hinterlegt. Sie wurden eingeführt, um das Problem der starken Wertschwankungen zu verringern. Allerdings werden auch Stablecoins im Zahlungsverkehr derzeit nur selten genutzt. Grund hierfür sind die vergleichsweise hohen Transaktionskosten und die nach wie vor eingeschränkte Akzeptanz von Krypto-Assets als Zahlungsmittel. Einsatzmöglichkeiten ergeben sich insbesondere im Bereich grenzüberschreitender Zahlungen. Hier sind die Kosten im herkömmlichen Zahlungsverkehr im Vergleich zu inländischen Zahlungen meist noch vergleichsweise hoch.
Welche Risiken sehen Sie konkret?
Krypto-Assets können die Finanzstabilität und die geldpolitische Transmission beeinträchtigen. Aktuell halten wir die systemischen Risiken jedoch für begrenzt, da die Kryptomärkte im Vergleich zum konventionellen Finanzsystem noch verhältnismäßig klein und wenig mit diesem verflochten sind. Die Reservebestände der Vermögenswerte, die Stablecoins zugrundeliegen, stellen aber bereits jetzt eine Verbindung zwischen dem Kryptosystem und dem konventionellen Finanzsystem dar. Die Emmittenten von Stablecoins halten diese Reservebestände, um den Wert der Stablecoins möglichst stabil zu halten. Allerdings bleiben Stablecoins mit Liquiditäts- und Kreditrisiken behaftet.
Im Fall von sogenannten Runs – also wenn viele Nutzer ihre Stablecoins gleichzeitig verkaufen – kann es daher zu Ansteckungseffekten kommen. Der Großteil der globalen Stablecoin-Reserven ist derzeit in kurzfristige US-Staatsanleihen angelegt, was einzelne Emittenten zunehmend zu bedeutenden Akteuren in diesem Markt macht.
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump erleben die USA eine Deregulierung des zuvor vergleichsweise strengen Regulierungsrahmens für Krypto-Assets. So möchte Trump u.a. den Aufbau einer strategischen Kryptowährungsreserve vorantreiben. Wie können wir in Europa damit umgehen?
Um systemische Risiken frühzeitig zu erkennen, müssen wir die Kryptomärkte und ihre Verflechtung mit dem konventionellen Finanzsystem wachsam beobachten. 2022 zeigte sich, dass auch Stablecoins zusammenbrechen können. Damals löste ein Vertrauensverlust einen Abverkauf aus, der den algorithmisch gesteuerten Stablecoin „TerraUSD“ zum Zusammenbruch brachte und Anleger Milliarden kostete. Doch auch Stablecoins mit hinterlegten Reserven sind nicht frei von Risiken. So verlor der Stablecoin „USDC“ im März 2023 zeitweise seine Bindung an den US-Dollar, weil ein Teil seiner Reservebestände bei der insolventen Silicon Valley Bank gehalten wurde. Die EU-Verordnung über Märkte für Kryptowerte (Markets in Crypto-Assets Regulation, MiCAR) leistet einen bedeutenden Beitrag, um die Effekte auf das konventionelle Finanzsystem zu begrenzen.
In der Bundesbank intensivieren wir außerdem unsere Forschung zur „Future of Finance“, um noch besser zu verstehen, wie das anhaltende Wachstum der globalen Kryptomärkte auf die Finanzstabilität und die geldpolitische Transmission wirkt. Sehr relevant ist zudem, dass wir im Eurosystem an digitalem Zentralbankgeld – sowohl in einer wholesale-, als auch in einer retail-Variante – arbeiten, um den Bedarf der Bevölkerung und der Banken nach digitalen Zahlungsmitteln mit sicherem staatlichen Geld auch zukünftig zu decken.