Gesellschaft

Lehren aus Charlottesville und Chemnitz

Wie können liberale Demokratien Rechtspopulismus begegnen?

Liberale Demokratien haben sich lange für unangreifbar gehalten. Das sei leichtsinnig gewesen, so begann Michael Werz vom Center for American Progress seinen Impulsvortrag bei einer Diskussion zum Thema „Charlottesville & Chemnitz: Eine transatlantische Konversation“. Doch wie kommt es gerade jetzt, in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs, zu einem so starken Zulauf für rechtsradikale und demokratiefeindliche Bewegungen? Die Unterstützung für diese politischen Strömungen, so Werz, stamme in den USA nicht ausschließlich aus Teilen der Bevölkerung, die sich als sozial abgehängt begreifen. Auch viele Vertreter der Mittelschicht stellten sich hinter populistische Thesen. Präsident Trump habe mit der nachdrücklichen Verbreitung seiner Anti-Einwanderungspositionen den nationalistisch-rechtsextremen Strömungen Raum in der amerikanischen Gesellschaft geöffnet. Bedenklich sei, so der Politikwissenschaftler, dass zu wenige Bürger sich den Erhalt der offenen, pluralistischen Gesellschaft zum Anliegen machten.

Bei der Befassung mit rechtspopulistischen Strömungen müsse man sich die Besonderheit der amerikanischen Gesellschaft deutlich machen. Anders als in Deutschland sei in den USA Herkunft kein Ausschlusskriterium aus der Gesellschaft. „To rally under the flag and constitution and to respect the law“ sei lange Zeit der gemeinsame Nenner für eine große Mehrheit der Amerikaner gewesen. Der demographische Wandel – in rund 20 Jahren werden die weißen Amerikaner von den Hispanics als Bevölkerungsmehrheit abgelöst – verursache jedoch bei Teilen der weißen Bevölkerung ein Unbehagen und Angst davor, die eigenen Privilegien aufgeben zu müssen. Darum seien sie für rechtsgerichtete Thesen zugänglich.

Werz sprach sich dafür aus, als Gegenmittel zu rechten Tendenzen gesellschaftliches Engagement zu fördern. Das sei insbesondere in Deutschland wichtig. Er warnte, dass Konservative sich nicht zu Steigbügelhaltern rechtspopulistischer Parteien machen dürften und unterstrich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme bei Flüchtlingen unverändert bei 60 Prozent liege, also eine Mehrheit der Deutschen nicht von einer Bedrohung durch Flüchtlinge ausgehe.

Farhad Dilmaghani, ehemaliger Staatssekretär in Berlin und Vorstandsbevollmächtigter der Phineo gAG, ging in seinem Input auf die Entwicklungen in Deutschland ein und unterstrich, dass Rassismus der entscheidende Treiber für Übergriffe gegen Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe sei. Es sei entscheidend, gegen rassistische Meinungen vorzugehen, zum Beispiel durch Verbote bestimmter Handlungen. Dilmaghani sagte, rechtspopulistische Parteien aktivierten offensichtlich Kräfte, die in der Bevölkerung bereits vorhanden seien. Es sei von überragender Bedeutung, allen Menschen in Deutschland durch gutes Regieren und kluge Politik das Gefühl zu geben, „dass sie ihr Leben zumindest in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit Zuversicht und ohne Ängste planen können“.

In der anschließenden Diskussion wurde unter anderem darüber gesprochen, ob rechtsradikale Ansichten der Überforderung durch rasanten gesellschaftlichen Wandel entspringen, wie die zunehmende Komplexität der Welt für alle Teile der Gesellschaft nachvollziehbar gemacht und die Widerstandsfähigkeit demokratischer Gemeinwesen gestärkt werden kann.

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