Mitgliederreise USA

Mitgliederreise nach Seattle und Vancouver

31 Mitglieder der Atlantik-Brücke machten sich vom 30.10. bis 3.11.2023 auf zur Mitgliederreise nach Seattle (USA) und Vancouver (Kanada), um neue Erfahrungen zu sammeln und ihr transatlantisches Netzwerk zu erweitern. Die beiden Mitreisenden Jeannine Budelmann und Dirk Dörrschuck haben ihre Eindrücke aufgeschrieben.

Jeannine Budelmann, Geschäftsführende Gesellschafterin der Budelmann Elektronik GmbH:

Die Reise nach Seattle und Vancouver war vollgepackt mit unterschiedlichsten Terminen. Besonders schön fand ich die Vielfalt des Programms. Alle großen weltpolitischen Probleme wurden wie nebenbei aufgegriffen und die Komplexität unserer Welt dadurch noch deutlicher.

So haben wir in kurzer Zeit viele der amerikanischen Tech-Größen – von Amazon bis Microsoft – besucht und durften sehen, was alles hinter den großen Konzernen steckt. Spannend hierbei fand ich zu erfahren, wie stark die Ukraine nach dem Einfall der russischen Armee nicht nur Unterstützung durch andere Staaten erhalten hat. Auch viele privatwirtschaftliche Unternehmen haben sich engagiert. Um einen funktionierenden Staat aufrecht zu erhalten, sind IT-Systeme inzwischen von herausragender Bedeutung. Umso beeindruckender war es zu hören, dass die kritischen IT-Systeme des ukrainischen Staates mit Unterstützung amerikanischer Firmen gesichert und am Laufen gehalten werden konnten.

Um den russischen Angriffskrieg ging es in sicherheitspolitischen Diskussionsrunden ebenfalls. Gleichzeitig aber auch um China oder die Rolle anderer aufstrebender Nationen beispielsweise aus Lateinamerika. Vancouver als Stadt mit einer extrem hohen Quote an Einwanderern aus China hat beispielsweise eine ganz andere Sicht auf die transatlantischen Beziehungen als etwa die Ostküste. In diesem Zusammenhang waren der Input aus der amerikanischen Navy, aber auch Gespräche mit Boeing sehr interessant.

Den Gedanken der Kooperation wieder stärker in den Fokus bringen

Persönlich etwas sprachlos gemacht hat mich unser Treffen mit den Vordenkern des IRA (Inflation Reduction Act) Heather Boushey und Alex Jacquez. Der Gedanke, der sich durch diese Gesprächsrunde zog, war ein stark protektionistischer. Auch in anderen Gesprächen konnte man sich von dieser Grundhaltung immer stärker überzeugen. Leider machen auch wir Deutschen uns davon nicht frei. Ich mache mir Sorgen darüber, dass wir als Weltgemeinschaft gerade scheinbar vergessen, welche Vorteile uns freier Handel bisher gebracht hat.

Die Idee, dass man einfach nur der stärkste Handelspartner sein müsste, um dann die ganze Welt wirtschaftlich nach seiner eigenen Maßgabe beeinflussen zu können, hat sich bislang noch nie als funktionierend herausgestellt. Auch nicht in der jetzigen Zeit. Ich fürchte, dass wir in den nächsten Jahren mit wirtschaftlichen Problemen auf der ganzen Welt konfrontiert sein werden. Wie wünschenswert wäre es, wenn wir den Gedanken der Kooperation wieder stärker in den Fokus bringen würden? Dafür sollten wir uns alle stärker einsetzen!

Mit politischen Verantwortungsträgern über die Probleme von Obdachlosigkeit und Drogenmissbrauch zu sprechen, denen man sich vor Ort auch nicht entziehen konnte, fand ich ebenfalls sehr spannend. Hier lohnt es sich, in Europa vorauszudenken und aus den Fehlern zu lernen, die in Amerika gemacht wurden, damit wir nicht in eine ähnliche Lage geraten. Ich möchte mir die Bilder, die ich in Seattle gesehen habe, nicht in deutschen Städten vorstellen.

Nicht zuletzt war die Delegation selbst eine große Bereicherung für mich. Wir haben wunderbar diskutiert, uns gestritten und versöhnt und hervorragend gegessen. Die gemeinsamen Gespräche haben mich bereichert und ich freue mich darauf, meine Mitreisenden schon bald wieder auf der einen oder anderen Veranstaltung wieder zu sehen!

 

Dirk Dörrschuck, Geschäftsführung Rohde & Schwarz International:

Tolles Wetter, exzellente Organisation und ein dichtes Programm: Bei der Mitgliederreise nach Seattle (USA) und Vancouver (Kanada) hat mich vor allem die Bandbreite der Themen sehr beeindruckt. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für die Geduld und die Ausführungen an die beiden Organisatoren Laura Korndoerfer und Tobias Luthe von der Atlantik-Brücke: „Well done!“

Als jemand der zum ersten Mal auf einer Mitgliederreise der Atlantik-Brücke dabei war, habe ich die Zusammenstellung der gesamten Gruppe als durchwegs harmonisch empfunden. Und selbst die Zwischenrufe einiger Teilnehmenden im Stile von Waldorf und Statler (Fans der Muppet Show erinnern sich an die beiden älteren Herren aus der Loge) waren letztendlich immer unterhaltsam.

Der IRA könnte die Beziehungen zwischen USA und Deutschland erheblich beeinflussen

Neben den vielen großartigen und interessanten Terminen (Palantir, Amazon, Boeing, Diehl Aviation) möchte ich auf zwei Gesprächsabende zurückblicken. Das Abendessen am 31. Oktober zum Thema IRA (Inflation Reduction Act) mit Heather Boushey und Alex Jacquez ist mir in Erinnerung geblieben. Aus dem Gespräch habe ich mitgenommen, dass der IRA zwar wesentliche Themen wie Klimawandel, Gesundheitsversorgung und Steuerreform adressiert, der direkte Impact auf eine schnelle Reduktion der Inflation aber wahrscheinlich eher gering ist. Der IRA steht demnach eher für eine langfristige Ausrichtung, die auf eine nachhaltigere und stabile Wirtschaft in und um die USA herum abzielt. Dies kann dann auf lange Sicht einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Inflation nehmen. Die beiden Hauptpunkte des IRA beschäftigen sich primär mit inländischen Problemen – wie Amerikas Bekämpfung des Klimawandels und die bereits erwähnte Gesundheitsversorgung. Sie können jedoch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland erheblich beeinflussen.

Betroffen sein könnten die potenzielle Zusammenarbeit in grüner Technologie, die Anpassungen der Handels- und Investment-Strategien sowie die damit verbundenen Herausforderungen deutscher Firmen mit ihrem operativen Geschäft in den USA. Der Einfluss auf die Handelsdynamik zwischen den USA und Deutschland sollte deshalb nicht unterschätzt werden. Mit einem doch scharfen Fokus auf Inlandsproduktion und Investitionen für die amerikanische Industrie könnte der IRA zu einem Problem für den deutschen Export werden, speziell in den Bereichen Automobil- und Pharmaindustrie – bei beiden Ländern geht es dabei um sehr viel. Mit dem IRA machen die USA einen deutlichen Schritt in Richtung Platzierung einer durchsetzungsfähigeren wirtschaftlichen Richtlinie – und Deutschland wird unter Beibehaltung seiner starken bilateralen wirtschaftlichen Verbindungen mit Amerika seinen Weg finden müssen. Dies kann dazu führen, dass beide Länder ihre globalen Handelsstrategien neu bewerten und oder anpassen müssen, während potenzielle neue Partnerschaften in Technologie und erneuerbaren Energien entstehen können und damit Chancen bieten.

Kanada und seine außenpolitische Positionierung

Nach drei ereignisreichen Tagen in Seattle führte uns der zweite Teil unserer Reise nach Vancouver. Dort trafen wir Rear Admiral Christopher Robin, Prof. Alex Moens, Michael von Herff und Prof. Pierre-Gerlier Forest am 1. November zu einem spannenden Gesprächsabend. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich war es bis dato nicht so offensichtlich, mit welchen landesinternen Problemen, hervorgerufen durch die ethnische und religiöse Diversität der kanadischen Bevölkerung, sich die kanadische Regierung in Bezug auf eine verteidigungsorientierte, außenpolitische Positionierung konfrontiert sieht. Und das unter Berücksichtigung der aktuellen geopolitischen Lage Kanadas zum Nordpolarmeer und Anschluss zum Pazifik.

Es zeigte sich im Laufe des Abends, dass sich auch Kanada in zunehmenden Maße mit einer neuen Positionierung der eigenen Verantwortung und Geschichte zum Schutz von Demokratie in einem neuen internationalen Umfeld auseinandersetzen sowie finden muss. Verstärkt wird dies durch eine notwendiger werdende Emanzipierung vom Partner USA auf dem nordamerikanischen Kontinent, speziell mit Hinblick auf den Ausgang der kommenden US-Wahlen und den daraus resultierenden Verteidigungs- sowie Handelsabhängigkeiten. Ein wahrscheinlich nicht unkomplizierter Weg, wie wir an diesem Abend verdeutlicht bekommen haben.

Die Reise hat gezeigt, dass gerade in Zeiten wie diesen der Austausch und fortwährende, offen geführte Dialog von übergreifenden Netzwerken wie der Atlantik-Brücke für den gemeinsamen Erfolg essenziell sind. Er stärkt das Verständnis auf beiden Seiten und bietet Gestaltungsmöglichkeiten. Die geopolitische Weltlage ist ein deutliches Signal näher zusammenzurücken und sich gegenseitig zu unterstützen. Wir sollten gerade deshalb auch darüber nachdenken, die Intensität des Austauschs und der Diskussionen für die weitere Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses zu erhöhen. Ich bedanke mich für die Möglichkeit, dabei gewesen sein zu dürfen.

Fotos: Tobias Luthe (1); WJD Pia Jennert Fotografie (2); Rohde & Schwarz (3)

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