Mitgliederreise USA

Wahlen, Wachstum und Windkraft

Mitgliederreise nach Texas und Louisiana

Nach dreijähriger Pause hat vom 30. Oktober bis 4. November erstmalig wieder eine Mitgliederreise stattgefunden. Die Delegation, geleitet vom Atlantik-Brücke-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, begab sich auf einen Roadtrip quer durch Texas und entlang der Küste Louisianas, um einerseits in das politische Klima beider Bundesstaaten einzutauchen und andererseits drängende Fragen zur Energiewirtschaft und -versorgung mit amerikanischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern zu erörtern.

Texas: Land of Plenty

Die Reise fing in Austin, der Hauptstadt von Texas, an. Schnell wurde klar, warum dieser Bundesstaat ein rasanteres Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum erlebt als die anderen 49 Bundesstaaten. Mit niedrigschwelligen Regulierungen, steuerlichen Vorteilen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und nach wie vor viel Platz ist es hier möglich, schnell und unkompliziert unternehmerische Ideen umzusetzen und sich anzusiedeln. So zieht Texas viele Tech-Firmen an; der Staat bietet aber auch Investitionsmöglichkeiten in erneuerbare Energien – insbesondere Windkraft –, aber auch fossile Energieträger. Universitäten und Colleges bieten relevante Abschlüsse in Fächern wie Informatik, Biotechnologie und BWL an. Einen umfassenden Einblick in die politischen Besonderheiten des „Lone Star States“ gaben zum Auftakt der Reise drei Journalisten. Sergio Martinez-Beltran, Texas Capitol Reporter aus dem Texas Newsroom von NPR, Ed McKinley, Reporter beim Houston Chronicle, und James Barragan, Reporter beim Texas Tribune, erläuterten, dass in Texas viele Welten aufeinanderprallen. Insbesondere die Themen Abtreibung, Einwanderung und Kriminalität werden kontrovers diskutiert. Diese Fragen sowie die steigende Inflation stehen für viele Texaner bei den gerade abgehaltenen Zwischenwahlen im Vordergrund. Bei Anschlussterminen hatte die Delegation Gelegenheit, diese Punkte im Gespräch mit dem einflussreichen Politikstrategen und engem Vertrauten George W. Bush’s, Karl Rove, und Gardner Pate, dem Kampagnenmanager des texanischen Gouverneurs Greg Abbott, zu vertiefen.

Texas‘ Rolle als wichtiger Standort für Windkraft wurde bei einem Hintergrundgespräch mit Industrievertretern beleuchtet, das ergänzt wurde durch einen Termin mit Mark Havens, Chief Clerk & Deputy Director of the Texas General Land Office – der Behörde, die den Verkauf und die Verpachtung von texanischem Grund und Boden verantwortet und somit eine äußerst wichtige Einnahmequelle des Bundesstaates ist. Abgerundet wurde dieser Besuch mit einer Besichtigung des Landesarchivs, in dem Texas‘ älteste Landkarten und Urkunden lagern.

San Antonio: Kurzer Zwischenstopp mit nachhaltiger Wirkung

Nach zwei intensiven Tagen in Austin begab sich die Delegation auf einen Roadtrip Richtung San Antonio, zunächst mit kurzem Halt in New Braunfels, einem stetig wachsenden Städtchen, das besonders stolz auf seine deutschen Wurzeln ist. Der Empfang durch Mayor Rusty Brockman und seine Mitarbeiter fiel entsprechend herzlich aus. Brockman betonte die Bedeutung der kulturellen Verbindung zu Deutschland und hob die wirtschaftliche Entwicklung von New Braunfels hervor, für die der Standort der zwischen Austin und San Antonio gelegenen Stadt ein wichtiger Faktor ist.

In San Antonio traf sich die Delegation in einer umgebauten Brauerei aus dem 19. Jahrhundert mit dem republikanischen Kongressabgeordneten August Pfluger. Das Gespräch mit dem künftigen Co-Vorsitzenden der Congressional Study Group on Germany drehte sich vor allem um den Krieg in der Ukraine. Pfluger betonte, wie wichtig angesichts einer angespannten Weltlage eine starke transatlantische Allianz sei, die vor allem dem Druck Chinas standhalten müsse. Pfluger war, ebenso wie die Mitglieder, von der angeregten Diskussion begeistert und nahm sich spontan Zeit, den ganzen Abend mit der Gruppe zu verbringen.

Houston: Wirtschaftliches Zentrum der Energieindustrie

Von San Antonio ging es mit dem Reisebus weiter nach Houston. Dort besichtigte die Delegation zunächst das Johnson Space Center der NASA. In den Räumlichkeiten von Mission Control erlebten die Mitglieder eine Simulation der Mondlandung, wie sie am 21. Juli 1969 von den Angehörigen der Astronauten in den Zuschauerrängen mitverfolgt wurde. Bei der am Abend stattfindenden Podiumsdiskussion, ausgerichtet von Cecilie Rohwedder und Paul Horvath, mit dem republikanischen Kongressabgeordneten Dan Crenshaw, dem ehemaligen US-Botschafter bei den Vereinten Nationen John Bolton, sowie Heidi Crebo-Rediker, der Chefökonomin unter US-Außenministerin Hilary Clinton, wurde besonders angeregt und zuweilen kontrovers Deutschlands Abhängigkeit von Russland diskutiert. Am nächsten Morgen ging es im Gespräch mit Vertretern der amerikanischen Gas- und Ölindustrie darum, ob und unter welchen Voraussetzungen die USA als Energielieferant eine Alternative für Deutschland sein kann.

Louisiana: Küstenstaat mit viel Potenzial

Entlang der Golfküste Louisianas wurde klar, welches Potenzial aus energiewirtschaftlicher Sicht in dieser Region steckt. Bereits jetzt stehen hier riesige, für den Import und Export bestimmte LNG-Terminals. Weitere Anlagen befinden sich im Aufbau, so wie die der Firma Tellurian in Driftwood, die in mehreren Bauphasen bis 2028 fertiggestellt werden soll. Die Dimensionen der Terminals sind gigantisch und imposant; an ihnen vorbeizufahren, hinterließ großen Eindruck bei der Delegation.  Mit der Führungsebene von Tellurian ging es neben Fragen der Energieversorgung auch um die Wirtschaftlichkeit der Terminals und das Problem des Fachkräftemangels. Wie wichtig dieser boomende Industriezweig für den eher strukturschwachen Bundesstaat ist, offenbarte sich abends beim Dinner mit der Bürgermeisterin von New Orleans. Mayor LaToya Cantrell verdeutlichte, wie sehr die Region von den Entwicklungen profitiere, zeigte aber auch die damit verbundenen Herausforderungen für ihre Stadt auf, die sich auch mit dem Klima- und Küstenschutz sehr viel stärker auseinandersetzen muss als andere Städte. Cantrell stellte eindrücklich dar, wie sich New Orleans aufgrund der traumatischen Erfahrung durch Hurrikan Katrina neu erfinden musste und welche Herausforderungen sich damit für ihre Stadt ergeben haben.

Delegationsmitglieder teilen ihre Eindrücke der Reise:

Jeannine Budelmann, geschäftsführende Gesellschafterin, Budelmann Elektronik: „Die Reise hat anschaulich gezeigt, dass es viele Probleme, die wir in Deutschland im Kleinen haben, in den USA im Großen gibt. Die steigende Salonfähigkeit politischer Extrempositionen, zu geringe Fortschritte beim Klimaschutz, Sexismus und Chancengleichheit sind nur einige dieser Themenkomplexe, die uns alle betreffen. Beide Nationen täten gut daran, weiterhin auf Augenhöhe miteinander zu sprechen, um gemeinsam zu guten, aber auch raschen Lösungen zu finden. Dafür braucht es auf beiden Seiten die notwendige Tatkraft. Umso hoffnungsvoller hat mich die Begegnung mit LaToya Cantrell gestimmt. Ich war sehr beeindruckt von der unbeirrbaren Stärke der Bürgermeisterin von New Orleans und ihrem Team. Sie geht die immer noch anhaltenden Herausforderungen der Stadt mit großem Elan und positiver Energie an und reißt so ihre Mitmenschen mit. Sie ist ein Vorbild, das mir höchsten Respekt abverlangt.“

Professor Dr. Michael Hüther, Direktor & Mitglied des Präsidiums, Institut der deutschen Wirtschaft; stellvertretender Vorsitzender, Atlantik-Brücke: „Die Reise hat wiederum deutlich gemacht, dass entgegen den üblichen, auch medial unterlegten Einschätzungen in den USA und zwischen den Bundesstaaten sehr viele Schattierungen und unterschiedliche Dynamiken aufscheinen. Texas als Land fossiler Energieträger ist zugleich wichtigster US-Produzent von Windenergie. Die Mobilität zwischen den Staaten hat deutlich zugenommen. Grundsätzlich aber bleibt bei mir eine Ratlosigkeit darüber zurück, wie dieses Land zu jenem Mindestmaß an sozialer Kohäsion und politischer Kooperation zurückfindet, das die Verfassung eigentlich einfordert. Der Ausgang der Midterms ist dafür ein Lichtschimmer. Aus deutscher Sicht bleibt zweierlei herauszuheben: Wir treffen in den USA nahezu überparteilich auf die Bereitschaft zu protektionistischer Politik; wir können auf die Energiepartnerschaft nur setzen, wenn wir uns längerfristig binden. Der Besuch des in Bau befindlichen LNG-Terminals ist dafür außerordentlich eindrücklich gewesen.“

Bernd Reuther, MdB (FDP): „Wir können uns besonders an ihrem pragmatischen Umgang mit Energiegewinnung ein Beispiel an den USA nehmen. Das bedeutet weniger Bürokratie und schnellere Verfahren u.a. bei LNG-Terminals voranzutreiben. In dieser Hinsicht können wir noch viel von den USA lernen.“

Bernd Rützel, MdB (SPD): „Es war nicht meine erste USA-Reise, aber ich war erneut von der Vielfältigkeit und der Größe des Landes überwältigt. Die Kontraste, Licht und Schatten, sind hier noch deutlicher als bei uns – was wohl nur zum Teil mit den Entfernungen zu tun hat. New Orleans ist voller Leben und glitzert, die ländlichen Gebiete von Texas erscheinen dagegen leer und teils erschreckend ärmlich. Diese Gegensätze miteinander zu vereinbaren, ist eine riesige Herausforderung.“

Katja Schremmer, Director, Morgan Stanley Bank: „Die diesjährige Mitgliederreise nach Texas und Louisiana bot ein sehr inspirierendes Programm. Die Termine mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft und NGOs erzeugten ein viel tieferes Verständnis für amerikanische Werte, Sichtweisen und Ansätze in der Politik – insbesondere in den „flyover states“ – im Gegensatz zu den in deutschen Medien doch sehr polarisierend dargestellten Sachverhalten. Besonders beeindruckt war ich von Frau LaToya Cantrell, der Bürgermeisterin von New Orleans, die als erste Frau dieses Amt bekleidet. Reisen wie diese beweisen, wie wichtig der Aufbau persönlicher Kontakte für den transatlantischen Zusammenhalt zum Erreichen gemeinsamer Ziele ist.“

Sigrid Bauschert, Vorstand, Management Circle: „Am meisten überrascht bzw. beeindruckt hat mich die große Freundlichkeit der Gesprächspartner in Texas. Es gibt ja so viele Einwohner mit deutschen Vorfahren, und es war sehr berührend, wie stolz die Menschen auf ihre deutschen Wurzeln sind. Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Neben diesem menschlichen Aspekt ist es beeindruckend, wie pragmatisch die Amerikaner Entscheidungen treffen; die Geschwindigkeit für Genehmigungen und Umsetzungen lässt mich nur staunen. Wie positiv und voller Energie in die Zukunft geblickt wird! Das haben wir bei der Besichtigung der Baustelle eines neuen LNG-Terminals in Louisiana eindrucksvoll erlebt. Die aktuelle Berichterstattung über die Wahlen in den deutschen Medien (naturgemäß, weil mit Abstand) ist vor allem sehr auf eine etwaige Kandidatur Trumps ausgerichtet. Die Gespräche mit republikanischen Politikern haben gezeigt, dass beileibe nicht jeder sehr konservative Republikaner ein Trumpianer ist.“

Denise Feldner, geschäftsführende Gesellschafterin, Bridgehead Advisors: „Wir haben Texas besucht, einen Fly-over-Bundesstaat, auf den ich zuvor einen eindimensionalen Blick hatte. Mit Mexiko vor der Tür und den Herausforderungen, die mit der ungebremsten Migration verbunden sind, hat sich ein Bundesstaat eröffnet, der deutsch geprägt ist. Im 19. Jh. hatte sich in Mainz „The Adelsverein“ gegründet, der in Texas Land kaufte, um dort Flüchtende aus Deutschland anzusiedeln. Es wird sogar noch „Texas German“ gesprochen. Texas ist technologieoffen, für neue Unternehmen und Investments ein attraktiver Standort. Das Energiegeschäft von Texas wird von der LNG-Produktion dominiert. Hier zeigten sich ähnliche Probleme wie bei uns: Der Kampf um den Bau neuer Pipelines. Dennoch ist Texas der Bundesstaat mit dem höchsten Anteil an grüner Energie in den USA. Das in Deutschland wichtige Wasserstoffthema hat sich uns in New Orleans dargeboten. Die Stadt an der Front des Klimawandels greift sich die Nachhaltigkeitsthemen, baut einen Tech Cluster – im Zentrum der Jazzmetropole – und wird eine Wasserstofflieferkette über ihre Hafenstruktur abbilden. Hingegen wird die militärische Lieferkette der NATO nach Deutschland über die Häfen in Corpus Christi und Antwerpen-Brügge abgebildet. Beide Standorte verbindet ihre Lage im größten und im zweitgrößten Chemiecluster der Welt. Befremdet hat mich zu erfahren, dass in Texas die Inhalte des Schulunterrichts politisiert werden und damit die Polarisierung der Gesellschaft in die Schulen getragen wird. Zugleich finanzieren die Texaner seit über 150 Jahren ihre Schulen aus der Vermietung ihres staatseigenen Landes und der Ausbeutung von Bodenschätzen. Die Halloween-Party am 31. Oktober in Austin, der Dia de los Muertos in San Antonio sowie der Besuch im Apollo Mission Control Center in Houston waren Orte und Ereignisse, die ich schon immer erleben wollte. Ich glaube, dass jetzt mindestens jeder zweite aus der Delegation jetzt einen NASA-Hoody aus Houston besitzt. Inklusive unseres Vorsitzenden.“

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