Wirtschaft und Finanzen

Warum generative KI bislang noch recht wenig Wert im Finanzbereich generiert

Warum generative KI bislang noch recht wenig Wert im Finanzbereich generiert Prof. Dr. Andreas R. Dombret

In diesem Gastkommentar vertritt Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke, die These, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Finanzbranche behutsam und unter Abwägung aller Risiken vonstatten gehen muss. Dieser Beitrag ist zuerst im Handelsblatt erschienen.

Von Andreas Dombret

ChatGPT – nur ein Hype? Oder doch nicht? Spätestens seit ChatGPT ist generative KI in aller Munde, auch wenn viele der zugrundeliegenden Methoden nicht wirklich neu sind und in abgewandelter Form schon seit geraumer Zeit existieren. Was sich aber verändert hat, ist die Möglichkeit, als Nicht-Experte auf diese Methoden zuzugreifen. Auch wenn dadurch der Nutzerkreis und damit das Interesse an KI immens zugenommen hat, so bleiben dennoch bislang die großen Erfolgsgeschichten mit objektiv nachweisbarem Wertbeitrag eher aus. Die Ursachen hierfür sind bereits aus der „traditionellen“ KI-Vorzeit bekannt, werden jedoch typischerweise von Finanzunternehmen nicht systematisch und wirkungsvoll genug angegangen. 

Der beste Algorithmus bleibt wirkungslos, wenn er nicht auf die Spezifika des Unternehmens maßgeschneidert ist. Naturgemäß kann dies nicht allein mit rein analytischen Fähigkeiten erreicht werden. Erfolg und Wert entstehen erst, wenn die neuen Möglichkeiten von generativer Künstlicher Intelligenz (gen KI) in interdisziplinären Teams umgesetzt und mit der relevanten Expertise entlang der Wertschöpfungskette kombiniert werden.

Fast allen Modellen der generativen KI-Welt wird nachgesagt, dass sie nicht hinlänglich transparent bzw. erklärbar sind. A priori ist dies richtig, und jede Einführung dieser Modelle bringt die Notwendigkeit zur Transparenz und Erklärbarkeit mit sich. Dies gilt in besonderem Maße in der Finanzbranche. Ergebnisse von Modellen, die sich nicht selbst erklären, sind nur bedingt für wichtige Geschäftsentscheidungen und damit für relevante Wertbeiträge einsetzbar; manche können sogar rechtlich bedenklich oder gar unzulässig sein.

Der Weg zu transparenter und damit vertrauenswürdiger KI im Finanzsektor ist also selten trivial, aber alles andere als unmöglich. In der Praxis wurde bereits mehrfach nachgewiesen, dass Transparenz effizient machbar ist, wenn die richtigen Ansätze und Tools verwendet werden. Gleichzeitig schafft dies eine robuste Basis, um die mit generativer KI verbundenen Risiken zu identifizieren und zu managen. Auf Letzteres wird nicht zuletzt die Aufsicht großen Wert legen.

Wertschaffung durch generative KI ist eine Evolution und keine Revolution.

Während in der allgemeinen Debatte vielfach der Fokus auf komplexere Modellvarianten einschließlich generativer Modelle liegt, war es in der Praxis oft möglich, schon mit einfacheren Algorithmen und Modellen materiellen Wert zu heben und zu zeigen, dass dies hinsichtlich Aufwand und Entwicklung der internen Fähigkeiten durchaus effizient sein kann. Demzufolge sind die akademisch interessantesten und methodisch ansprechendsten Modelle nicht immer auch die besten im Einsatz im Finanzsektor – eine robuste Basis kann häufig bereits mit einfachen und traditionellen KI-Methoden geschaffen werden, die eine nachhaltige und effiziente Weiterentwicklung in einer sophistizierten KI-Welt ermöglicht. Beispielsweise in der Kundenansprache, in der Kreditvergabe, im Risikomanagement oder im Monitoring können mit recht einfachen Verfahren des maschinellen Lernens signifikante Erfolge generiert werden; die entsprechenden Modelle bilden aber auch gleichzeitig die Ausgangsbasis für tiefe KI-Verfahren, die dann eine effiziente und nachhaltig verbesserte Kundeninteraktion erlauben. Wertschaffung aus und durch gen KI ist aus meiner Sicht eine Evolution und keine Revolution.

„Wir würden gerne, haben aber die Daten nicht, die müssen erst einmal zusammengezogen werden …“ hört man oft im generativen KI-Kontext. Ja, Daten können immer von besserer Qualität, Zeitreihen können länger und Entwicklungsdatensets größer sein … In der Realität müssen Finanzinstitute aber fast immer mit imperfekten und unvollständigen Daten umgehen. Die Kunst besteht darin, das Finanzinstitut durch die Herausforderungen der Datenqualität und des Datenumfangs zu manövrieren und dabei den optimalen Entwicklungsansatz zu finden. Dies macht einerseits eine entsprechende Erfahrung und andererseits den Fokus auf den Verwendungszweck des Modells erforderlich. Diese Erfahrung muss entwickelt und der Fokus muss strikt eingehalten werden, um ein Finanzinstitut erfolgreich auf gen KI auszurichten. Je früher eine Bank, eine Versicherung bzw. ein Asset Manager damit beginnt, umso besser.

Zusammenfassend gilt: ChatGPT ist alles andere als ein Hype. Richtig eingesetzt und maßgeschneidert, wird generative KI fraglos sehr große Wertbeiträge liefern und den Finanzsektor nachhaltig verändern. Allerdings muss dies als eine kontinuierliche Entwicklung angesehen und die verbundenen Risiken müssen vorsichtig gemanagt werden.

Andreas Dombret ist Global Senior Advisor bei Oliver Wyman. Zuvor war er Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und Mitglied im Supervisory Board der EZB.

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