Außen- und Sicherheitspolitik

„Washington steht fest hinter der NATO“

Interview mit Alexander Graf Lambsdorff, Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Mitglied des Vorstands der Atlantik-Brücke
„Washington steht fest hinter der NATO“ Foto: alambsdorff.abgeordnete.fdpbt.de

Der NATO-Gipfel in Watford zum 70-jährigen Bestehen des westlichen Bündnisses ging mit gegenseitigen Bekenntnissen der transatlantischen Partner zur kollektiven Verteidigung zu Ende. Für wie nachhaltig schätzen Sie insbesondere US-Präsident Trumps geradezu versöhnliche Rhetorik mit der Allianz ein?

Die positive Stimmung nach dem Gipfel ist ein gutes Zeichen. Hinter einer funktionierenden militärischen Kooperation muss ein starker gemeinsamer politischer Wille stehen. Diesen Worten müssen jetzt aber auch Taten folgen. Donald Trump hat sich in der Vergangenheit oft durch Wankelmütigkeit und starke Rhetorik in seinen Aussagen hervorgetan. Mittlerweile scheint der amerikanische Präsident von der harschen Kritik abgerückt zu sein. Die Verwaltung bekennt sich ohnehin klar zur Verteidigungsallianz. Washington steht fest hinter dem Militärbündnis und verteidigte es zuletzt auch gegenüber dem französischen Präsidenten Macron.

Frankreichs Präsident Macron hat die NATO mit seinen „Hirntod“-Äußerungen in Aufruhr versetzt. Hat er damit nur für Ärger innerhalb des europäischen Pfeilers des Bündnisses gesorgt oder vielleicht sogar den Grundstein für intensiveres Engagement der Europäer in den großen Fragen der Strategie gelegt?

Es ist nicht das erste Mal, dass Macron eine engere Zusammenarbeit der europäischen Partner gefordert hat. Er wünscht sich eine starke und souveräne Europäische Union als Ergänzung zur NATO, nicht als Konkurrenz. In diesem Fall ist er allerdings rhetorisch etwas über das Ziel hinausgeschossen. Die harsche Kritik an der NATO trifft so nicht zu. Dahinter steht allerdings die klare Forderung, dass die NATO ihre politische Abstimmung verbessern muss. 

Der Auslöser für Macrons Kritik war das unabgestimmte Vorgehen der Türkei in Nordsyrien. Ist die Türkei unter Präsident Erdogan noch ein berechenbarer NATO-Verbündeter?

Die Türkei ist immer schon ein schwieriger Verbündeter – während des Kalten Krieges war die Türkei phasenweise sogar unter Militärherrschaft. Dennoch war sie auch damals ein unverzichtbarer Teil der NATO. Vergessen wir nicht, dass zwischen Syrien, dem Iran, dem Irak und der EU exakt ein Land liegt: nämlich die Türkei. Politische Differenzen müssen deswegen so weit es geht ausgeräumt werden, um eine effektive sicherheitspolitische Zusammenarbeit zu garantieren. Das heißt jedoch nicht, dass sich die Türkei alles erlauben kann. Erdogan sieht sich momentan ja auch starker Kritik der NATO-Mitgliedsstaaten ausgesetzt.

Die NATO hat nun erstmals China als strategische Herausforderung für das Bündnis eingestuft. Was heißt das konkret im transatlantischen Umgang mit der Volksrepublik?

China als potentielle Bedrohung anzuerkennen – auch militärisch – ist die Grundlage dafür, eine klare gemeinsam Linie gegenüber China zu entwickeln und die gemeinsame Verteidigungsplanung der Allianz anzupassen. Die EU-Kommission hat bereits im März ein Strategiepapier zu China vorgelegt, in dem von einer härteren Gangart gegenüber China gesprochen wird. Das bedeutet nicht, China zum Feind zu erklären, sondern vielmehr klare Regeln im Umgang mit China zu definieren. Gleiches sollte auch für die NATO gelten. Wir brauchen eine koordinierte Strategie aller Mitgliedsstaaten.

Die 5G-Technologie droht zur Zerreißprobe des Westens zu werden. Wie bewerten Sie den Kompromiss, auf den sich die Allianz zur Implementierung von 5G-Netzwerkkomponenten des chinesischen Anbieters Huawei verständigt hat?

In der Erklärung heißt es: „Wir erkennen die Notwendigkeit an, auf sichere und widerstandsfähige Systeme zu setzen“. Das ist alles andere als eine Verpflichtung, Huawei vom Aufbau des 5G-Ausbaus auszuschließen. Bei sicherheitskritischer Infrastruktur sollte Europa aber ganz klar bereit sein, auf die Nutzung chinesischer Technik zu verzichten. Nur so können wir ausschließen, dass China die Technik für Spionagezwecke nutzt. Die Bundeskanzlerin muss dringend erklären, weshalb sie dieses Risiko offenbar ganz anders einschätzt als viele unserer Verbündeten. Deswegen muss die NATO ein neues strategisches Konzept erarbeiten. Seit dem letzten Grundlagen-Dokument 2010 hat sich die sicherheitspolitische Lage enorm verändert.

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