„Eine diverse Belegschaft wird immer wichtiger“
Beim Frankfurt Luncheon im März haben die Mitglieder der Regionalgruppe Frankfurt mit Dr. Daniela Favoccia, Rechtsanwältin & Partnerin bei Hengeler Mueller, diskutiert, was gute Unternehmensführung auszeichnet und ob ein Kulturwandel in den Chefetagen großer Unternehmen zu beobachten ist. Vielfalt sollte nicht nur im Rekrutierungsprozess, sondern auch in der Unternehmenskultur gefördert werden, ist Daniela Favoccia der Ansicht.
Corporate Governance ist ein zentraler Begriff dieser Tage. Gleichzeitig besteht zu diesem Begriff keine eindeutige Definition. Was sind für Sie, liebe Frau Favoccia, die drei Kernelemente von Corporate Governance?
Corporate Governance beschreibt – nach einer allgemeinen Definition – die Prozesse, Strukturen und Mechanismen, die die Kontrolle und Leitung von Unternehmen beeinflussen. Unterschiedliche Berufsgruppen setzen bei dieser Definition freilich unterschiedliche Schwerpunkte – beispielsweise wird ein Ökonom stärker auf ökonomische Prozesse, Strukturen und Mechanismen blicken. Für mich als Juristin sind die drei Kernelemente von Corporate Governance: Hard Law, Soft Law und Best Practice. Dabei handelt es sich um die drei Kategorien mit einem abgestuften Geltungsanspruch – Hard Law gilt zwingend, Soft Law zwingt nur zur Einhaltung eines „Comply-or-Explain“-Mechanismus und die Best Practice hat keinen Geltungsanspruch, sondern (nur) Vorbildfunktion. Alle drei Kategorien zusammen bilden für mich die Kernelemente der Corporate Governance.
Die deutsche Wirtschaft zählt zu den am stärksten internationalisierten Volkswirtschaften der Welt, doch vor allem im Hinblick auf Diversität besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf. Welche Auswirkungen könnte dies vor allem im Hinblick auf den sich zuspitzenden Fachkräftemangel und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft haben?
Die Umfrageergebnisse einer Studie des ifo Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.) aus dem Frühjahr letzten Jahres (Unternehmen suchen durchschnittlich vier Monate nach Fachkräften | Pressemitteilung | ifo Institut) zeigen, dass Unternehmen zunehmend eine vielfältigere Stellenbesetzung als Mittel gegen den Fachkräftemangel betrachten und dies auch zurecht. Eine vielfältigere Stellenbesetzung verhilft den Unternehmen zu insgesamt mehr Stellenbesetzungen. Angesichts des demografischen Wandels wird die Auseinandersetzung mit einer diversen Belegschaft also immer wichtiger.
„Eine vielfältige Arbeitsumgebung erweitert nicht nur den Talentpool, sondern bringt auch strategische Vorteile mit sich“
Es ist darüber hinaus meines Erachtens entscheidend, Vielfalt nicht nur im Rekrutierungsprozess sondern auch in der Unternehmenskultur zu fördern. Eine vielfältige Arbeitsumgebung erweitert nicht nur den Talentpool, sondern bringt auch strategische Vorteile mit sich: Das Entstehen einer kreativen und innovativen Unternehmenskultur wird gefördert und die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Unternehmen gestärkt, was im internationalen Wettbewerb Vorteile verschafft.
Die Arbeitswelt verändert sich rasant und die Verbundenheit der Beschäftigten mit Arbeitgebern nimmt insgesamt ab. Junge Arbeitnehmer*innen erwarten von ihren Arbeitgebern vermehrt die Übernahme sozialer und ökologischer Verantwortung, was für ältere Generationen weniger relevant zu sein scheint. Wie können Unternehmen im Sinne guter Unternehmensführung unterschiedliche Generationen an Beschäftigten gleichermaßen mitnehmen und ein gutes Arbeitsklima schaffen?
Es stimmt, die überwiegende Mehrheit junger Arbeitnehmer legt bei der Wahl ihrer Stelle großen Wert auf Nachhaltigkeit. In Deutschland beträgt dieser Anteil 81 Prozent bei den 20- bis 29-Jährigen, in der Gesamtbevölkerung beträgt der Anteil nur 59 Prozent (Studie der Europäischen Investitionsbank). Hinzu kommt, dass die junge Generation auch veränderte Arbeitsvorstellungen hat – zum Beispiel soll die Arbeit Sinn stiftend sein und zugleich dennoch keinen zu großen Platz im Leben einnehmen (4-Tage-Woche).
Schon um offene Stellen besetzen zu können, sollten Unternehmen, sich mit den Anliegen und Sorgen der jüngeren Generation auseinandersetzen und die jüngere Belegschaft in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Es geht aber auch um die Unternehmenskultur und den Abbau von Vorbehalten auf beiden Seiten. Eine offene und transparente Kommunikation zwischen den verschiedenen Altersgruppen ist motivierend und befruchtend. Deshalb sollte der frische Blick und Impulse der Jüngeren ebenso wertgeschätzt und genutzt werden wie wertvolle Erfahrung und das Wissen älterer Mitarbeiter.