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„NATO in a World of Disorder: A Conversation on the Outcomes of the Warsaw Summit 2016“

Eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen wurden auf dem diesjährigen NATO-Gipfel in Warschau beschlossen, darunter die Stationierung von insgesamt vier Bataillonen im Baltikum und in Polen, die Unterstützung des Kampfes gegen die Terrormiliz ISIS mit AWACS-Aufklärungsflugzeugen über Syrien und dem Irak, die Verlängerung des NATO-Einsatzes in Afghanistan und der Einsatz von NATO-Schiffen zur Verhinderung illegaler Migration vor der libyschen Küste. Über den Hintergrund und die langfristigen Auswirkungen dieser Beschlüsse sprachen zwei Tage nach dem Ende des Gipfels der stellvertretende NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow, Derek Chollet, Counselor and Senior Advisor for Security and Defense Policy beim German Marshall Fund, und Thomas Bagger, Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt, in Berlin. Moderiert wurde die Diskussion von Matthias Naß, Internationaler Korrespondent der ZEIT.

Botschafter Vershbow beschrieb die Weltlage, vor deren Kulisse der Gipfel stattgefunden hatte, als die herausforderndste und gefährlichste seit dem Bau der Berliner Mauer. Die Beziehungen mit Russland seien äußerst angespannt, auch wenn es sich, anders als im Kalten Krieg, nicht um einen ideologischen Konflikt handele, sondern um einen strategischen. Auch die Instabilität in Afrika und die Vorstöße des Terrorismus, insbesondere durch ISIS, seien besorgniserregend. Diese Entwicklungen seien zwar schon beim NATO-Gipfel in Wales vor zwei Jahren im Gange gewesen, damals sei die NATO jedoch stärker mit der unmittelbaren Reaktion auf die Ukraine-Krise und den Erfolg von ISIS befasst gewesen. Mit dem Gipfel in Warschau konnten die NATO-Partner nun gemeinsam eine langfristige Perspektive entwerfen. Auch wenn es nicht gelungen sei, zu allen Herausforderungen einen Konsens zu erzielen, gebe es deutliches ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung.

Derek Chollet, der von 2012 bis 2015 stellvertretender US-Staatssekretär für Verteidigung war, unterstrich, dass der Gipfel für die NATO den Schwenk von „Reassurance“, also der Versicherung der Unterstützung insbesondere der baltischen Staaten sowie Rumäniens und Polens, zu einer Politik der „Deterrence“, der Abschreckung. Zu diesem Konzept gehöre unter anderem auch die Stationierung von Soldaten entlang der Grenzen zu Russland.

Thomas Bagger betonte, dass Verunsicherung der östlichen NATO-Partner durch Russlands Verhalten nachvollziehbar sei. Gleichzeitig hob er hervor, dass Abschreckung nur ein Teil der Strategie gegenüber Russland sein könne. Es sei für die langfristige Problemlösung entscheidend, die Kommunikation mit Russland aufrecht zu erhalten. Taktische Unterschiede der Mitgliedsstaaten dürften die strategische Einheit der NATO nicht untergraben. Vershbow äußerte die Hoffnung, dass der NATO-Russland-Rat als Forum genutzt werden könne, um Russland auf mehr Transparenz und Berechenbarkeit zu verpflichten.

Die Panelteilnehmer waren sich einig in der Einschätzung, dass Kooperationen mit Russland nicht ausgeschlossen seien. Dies sei jedoch aufgrund der aktuellen Lage außerhalb Europas einfacher – als positives Beispiel wurde die Kooperation in Afghanistan genannt.

Der „Brexit“ war ebenfalls Thema: Zwar sei der transatlantische Zusammenhalt und die gemeinsame Sicherheit durch das Ergebnis des britischen Referendums nicht gefährdet, doch ergebe sich daraus eine große Herausforderung für Europa. Gleichzeitig spiele das Ergebnis Präsident Putin in die Karten.

Der Gipfel in Warschau habe, so das Fazit der Redner, zwar gezeigt, dass die NATO-Staaten noch viel zu bewältigen hätten – er sei jedoch ein großer Schritt hin zu einer umfassenden Sicherheitspolitik.

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