Außen- und Sicherheitspolitik

Westliche Gesellschaften nehmen Cyberattacken zunehmend ernst

Richard Wike, Director of Global Attitudes Research von Pew, hat in einer Diskussion der Atlantik-Brücke neue internationale Umfrage-Ergebnisse zur Wahrnehmung von Bedrohungen vorgestellt.

Richard Wikes Präsentation der Pew-Studie

Von Robin Fehrenbach

Fast zwei Drittel der amerikanischen Bürger sehen Cyberattacken auf die USA als eine große Bedrohung für die Vereinigten Staaten an. Dieses aktuelle Ergebnis stand im Zentrum einer Präsentation von Richard Wike in Berlin, zu der ihn die Atlantik-Brücke in den Hauptsitz des Bundesverbandes deutscher Banken geladen hatte. Wike ist Director of Global Attitudes Research des Pew Research Center und stellte den Mitgliedern der Atlantik-Brücke Erkenntnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts aus dem Frühjahr und Sommer 2018 zur Wahrnehmung von Bedrohungen in 26 Ländern vor. Was die Einschätzung der US-Bürger von Cyberattacken als große Bedrohung angeht, sei der Anstieg innerhalb eines Jahres von 2017 zu 2018 von 54 Prozent zu 61 Prozent bemerkenswert, hob Wike hervor. „Das Thema Cybersicherheit löst zunehmend Sorgen in mehreren Ländern der Welt aus. In den USA beobachten wir den Trend, dass dies inzwischen nicht mehr nur für die Elite gilt, sondern auch für den durchschnittlichen Bürger“, sagte er.

Die beiden anderen von Amerikanern am häufigsten genannten großen Bedrohungen für die USA sind demzufolge der Klimawandel mit 67 Prozent (2017: 63 Prozent) und der „Islamische Staat“ (IS) mit 62 Prozent (2017: 66 Prozent). Der Anstieg bzw. der Rückgang in Prozentpunkten fallen sowohl beim Klimawandel als auch bei der Terrormiliz jedoch nicht so deutlich aus wie bei Cyberattacken. Wike sieht die Einflussnahme auf die US-Präsidentschaftswahl 2016 und andere größere Hacks wie etwa auf Filialen des Einzelhändlers Target als mögliche Erklärung an. „Es dauert länger, etwas so Komplexes wie einen Cyberangriff gesellschaftlich zu erfassen. Cyberattacken sind seit 2016 zunehmend in den Nachrichten präsent und werden inzwischen als neues Thema erst jetzt in den Medien betrachtet“, sagte Wike.

Auf die Frage nach den größten Bedrohungen wurde in 13 der an der Studie beteiligten Staaten am häufigsten der Klimawandel genannt. Der IS wurde in acht Staaten als größte Gefahr gesehen. Cyberattacken wurden in vier Ländern als vorrangiges Risiko genannt; darunter befinden sich die USA und Japan. Betrachtet man gezielt einzelne Länder, so fällt auf, dass Amerikaner mit 74 Prozent am häufigsten Cyberattacken aus dem Ausland als große Bedrohung wahrnehmen. Im Vergleich dazu nennen 66 Prozent der in Deutschland Befragten Cyberattacken als große Bedrohung – den Spitzenplatz für die Bundesrepublik belegt der globale Klimawandel mit 71 Prozent.

Angriffe auf öffentliche Infrastruktur, sensible Informationen und Wahlen

Was denken die verschiedenen Gesellschaften über den Zustand nationaler Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit, in Bezug auf Cyberattacken? Wike erläuterte, dass Pew zur Beantwortung dieser Frage zunächst zwischen Cyberattacken auf öffentliche Infrastruktur, die nationale Sicherheit betreffende Informationen und Wahlen unterscheide. 61 Prozent aller Teilnehmer halten eine Cyberattacke, die in manipulierten Wahlen resultiert, für wahrscheinlich. 69 Prozent halten es für durchaus möglich, dass die öffentliche Infrastruktur durch eine Cyberattacke beschädigt wird. 74 Prozent sehen es als wahrscheinlich an, dass über eine Cyberattacke der Zugriff auf sensible Informationen der nationalen Sicherheit ermöglicht wird.

46 Prozent der Amerikaner schätzen es als sehr wahrscheinlich ein, dass durch eine Cyberattacke die öffentliche Infrastruktur Schaden nimmt. Dies entspricht dem höchsten gemessenen Wert unter allen Ländern. Was durch einen Cyberangriff manipulierte Wahlen betrifft, tut sich eine Kluft in der transatlantischen Wahrnehmung auf: Während 49 Prozent der Amerikaner dies für sehr wahrscheinlich halten, geben dies lediglich 14 Prozent der Deutschen an.

Unterschiedliche Bewertungen zeigen sich schließlich im Vertrauen auf die Kompetenz der Regierung beim Umgang mit Cyberangriffen. Amerikaner halten ihr Land zu 53 Prozent für „gut vorbereitet“ auf eine große Cyberattacke. „Generell vertrauen mehr Amerikaner der Privatwirtschaft als der Regierung“, erklärte Wike. Mehr als die Hälfte der Deutschen (52 Prozent) befürchtet, dass ihr Land nicht gut auf eine große Cyberattacke vorbereitet ist. Besonders großes Vertrauen in die Cyber-Kompetenz der Regierung herrscht in Israel und Russland: 73 Prozent der Israelis schätzen ihr Land als gut vorbereitet auf einen großen Cyberangriff ein. In Russland geben dies 67 Prozent der Menschen an.

An der bei dieser Präsentation zur Grundlage genommenen Pew-Studie nahmen insgesamt 27.612 Menschen teil. Die Erhebung erfolgte einerseits Telefon-basiert und andererseits durch Face-to-Face-Befragungen. Die Fehlertoleranz liegt zwischen 2,9 und 5,1 Prozent. Das Pew Research Center wurde 1996 gegründet, es hat seinen Sitz in Washington, D.C. Die überparteiliche Non-Profit-Organisation finanziert sich zu einem Großteil aus den Pew Charitable Trusts. Sie gibt keine Empfehlungen an Politik und Wirtschaft. Der internationale Forschungszweig besteht seit 2001. Pew führt Umfragen in 108 Ländern durch.

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