Unterwegs in Trumps Amerika

„Die kleinen Leute werden alleingelassen“

Von Martin Klingst

Foto: Katharina Draheim

Luanne Burdick, 71, arbeitete dreieinhalb Jahrzehnte als Grundschullehrerin. Ihr Mann Rick, 77, war ebenfalls Lehrer, verlor aber immer wieder seine Anstellung, weil mal die eine Schule dicht machte, mal die andere kräftig Geld einsparen musste und Lehrkräfte entließ. Die beiden Rentner leben in Greendale, einem kleinen Vorort rund 20 Kilometer südlich von Milwaukee, der mit rund 600 000 Einwohnern größten Stadt im nördlichen US-Bundesstaat Wisconsin.

Wisconsin, dachten die Demokraten im Herbst 2016, hätten sie bereits in der Tasche. Denn seit Jahrzehnten hatten die Wählerinnen und Wähler dort immer für demokratische Präsidentschaftsbewerber und -bewerberinnen gestimmt. Hillary Clinton, die Kandidatin der Demokratischen Partei, war sich ihrer Sache so sicher, dass sie es nicht einmal für notwendig erachtete, im Wahlkampf nach Wisconsin zu kommen. Doch dann gewann hier mit hauchdünnem Vorsprung überraschend Donald Trump. Das hatte der Republikaner unter anderem Leuten wie den Burdicks zu verdanken.

Ich interviewte das Ehepaar zum ersten Mal 2018. Rick Burdick sagte mir damals, er habe „diese elitären Politiker aus Washington satt gehabt“, die wie die Clintons mit ihren „schönen Reden“ Millionen verdienten und „uns normale Menschen“ völlig aus den Augen verloren hätten. Er nannte Trump einen „Arbeiterpräsidenten“, einen, der die Sprache des „einfachen Volkes“ spreche.

Im April 2022 habe ich Luanne und Rick Burdick wiedergetroffen. Bei der Präsidentschaftswahl zwei Jahre zuvor hatten sie erneut ihr Kreuz bei Donald Trump gemacht, „noch überzeugter als beim ersten Mal“, sagen sie, auch wenn 2020 die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler von Wisconsin sehr zum Verdruss der Burdicks für den Demokraten Joe Biden stimmte.

Luanne und Rick Burdick haben sich erst spät im Leben kennengelernt und 1999 geheiratet. Das kinderlose Ehepaar wohnt in einem historischen kleinen weißen Holzhaus von 1938, das Luanne mit in die Ehe brachte. Das Erdgeschoss besteht aus einem Vorraum, der Küche und dem Wohnzimmer. Eine steile Stiege führt in das darüberliegende Stockwerk mit drei winzigen Zimmern und einem schmalen Bad. Einen Raum hat sich Luanne Burdick wie ein altes Klassenzimmer eingerichtet, mit einer hölzernen Schulbank samt eingelassenem Tintenfass.

 Von diesen Häusern gibt es einige Hundert in Greendale. Ende der 1930er Jahre wurden sie auf Geheiß des damaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, einem Demokraten, aus dem Boden gestampft. Inmitten der großen Wirtschaftskrise sollten Arbeiter die Chance auf eine preiswerte Behausung erhalten, 3200 Dollar kostete damals ein solches Haus, für 10 Dollar im Monat konnte es auch gemietet werden. Das war eine Zeit, sagt Rick Burdick, in der sich die Demokraten noch um „die kleinen Leute“ kümmerten.

Nach wie vor wohnen in der Nachbarschaft überwiegend Arbeiter, Handwerker, Handelsvertreter. Die meisten sind weiße Amerikaner und Amerikanerinnen, viele gehen sonntags in die Kirche. Doch der demographische und gesellschaftliche Wandel macht auch vor Greendale nicht halt. Weil es hier sicherer ist als in Milwaukee, eine der gefährlichsten Metropolen Amerikas, zieht es immer mehr Großstädter in die Vororte. Sie bringen andere Einstellungen und Lebensformen mit sich. Seit einiger Zeit wohnt in der Straße der Burdicks ein schwules Ehepaar, der religiösen Luanne Burdick behagt das nicht.

„(Luanne Burdick:) Die Bibel sagt klipp und klar, es gibt nur zwei Geschlechter, Frauen und Männer. Das heißt, ein Mann heiratet eine Frau, aber keinen Mann. Amerika ist eine christliche Nation und folgt den Geboten Gottes. In seinen Augen, den Augen Gottes, sind gleichgeschlechtliche Ehen nicht rechtens. Wo sein Wille außer Acht gelassen wird, verlieren Menschen Orientierung, Maß und Mitte. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

Wenn damals Eltern oder Lehrer aus meiner Schule zu mir gekommen wären und gesagt hätten, ein männlicher Schüler in meiner Klasse fühle sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig, ich sollte ihn darum als Mädchen ansprechen und wie ein Mädchen behandeln, hätte ich mich geweigert. Was soll dieser Unsinn! Diese besonders von den Demokraten geförderte Beliebigkeit der Natur und des Lebens ist meines Erachtens mit schuld an unserer amerikanischen Misere. Ich habe das alles früh kommen sehen und hatte darum nach gut drei Jahrzehnten genug von meinem Lehrerberuf.

Trump hat das Richtige getan, er hat drei Juristen als Richter ans Oberste Gericht, den Supreme Court, berufen, die sich streng an unsere Verfassung halten.

Sie wenden ein, der Republikaner Donald Trump sei auch kein religiöser Mensch gewesen. Das mag sein, alle Menschen sind fehlbar. Aber Trump hat das Richtige getan, er hat drei Juristen als Richter ans Oberste Gericht, den Supreme Court, berufen, die sich streng an unsere Verfassung halten – und zwar an den originären, den ursprünglichen Wortlaut.

Die Demokraten weichen ständig davon ab, sprechen von einer lebenden, einer atmenden Verfassung, von Grundprinzipien, die sich im Laufe der Zeit an die sich wandelnde Gesellschaft anpassen müssen. Das ist grundfalsch. Die Väter unserer Verfassung waren sehr vorausschauend und haben die wichtigsten Grundsätze festgeschrieben. Eine Verfassung geht nicht mit der Zeit, ihre Worte haben Ewigkeitswert.

Ich finde es auch ziemlich absurd, dass es bei der Auswahl von Richterinnen und Richtern immer darum geht, ob sie politisch links oder rechts stehen. Das ist doch überhaupt nicht die Frage. Entscheidend ist allein, ob sie verfassungstreu sind, das heißt, ob sie sich bei ihren Entscheidungen an den ursprünglichen Wortlaut des Verfassungstextes halten. Nichts steht darin zum Beispiel von einer gleichgeschlechtlichen Ehe, von dritten Geschlechtern oder dem Recht auf Abtreibung.

(Rick Budick:) Anders als meine Frau sehe ich da aber ein Problem. Unsere Verfassung spricht vom ‚Pursuit of Happiness‘, dem unveräußerlichen Recht jedes Individuums, nach seiner Façon glücklich zu werden. Gilt das nicht ebenso für Schwule und Lesben? Und was ist zum Beispiel mit den vielen Muslimen hierzulande? Sollen sie nicht auch ihren eigenen Stil leben, ihre Religion ausüben dürfen? Grundsätzlich muss das möglich sein, die Schwierigkeit ist nur: Die anderen, die Minderheiten, werden sich nicht ändern, nicht an uns anpassen, die Amerika gegründet und großgemacht haben. Schlimmer noch: Im Grunde ihres Herzens lehnen sie unseren Glauben und unsere Lebensweise ab. Sie lehnen Amerika ab. Das geht nicht, das ist unvereinbar. Minderheiten dürfen nicht über die Mehrheit bestimmten, die Mehrheit muss das Sagen behalten.

Die Demokraten schwimmen auf dieser sogenannten Wokeness-Welle, wo sich alles nur noch um individuelle Befindlichkeiten, um Gender und Hautfarbe dreht.

Die Demokraten schwimmen auf dieser sogenannten Wokeness-Welle, wo sich alles nur noch um individuelle Befindlichkeiten, um Gender und Hautfarbe dreht. Als in diesem Jahr ein Supreme-Court-Richter seinen Rückzug aus dem Obersten Gericht ankündigte, erklärte Präsident Biden sofort, er werde diese Stelle mit einer Frau, einer Afroamerikanerin besetzen. Und prompt nominierte er die Kentanji Brown Jackson.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären ein erstklassiger amerikanischer Jurist, ein von allen gerühmter und bewunderter Rechtsgelehrter und Richter. Doch für das Oberste Gericht kommen Sie nicht in Frage, finden keinerlei Berücksichtigung, weil Sie keine Frau sind und keine schwarze Hautfarbe haben. Wo steht geschrieben, dass schwarze Frauen im Obersten Gericht vertreten sein müssen? Da komme ich nicht mehr mit.

(Luanne Burdick:) Wäre ich eine schwarze Frau und für Amerikas höchstes Richteramt vorgeschlagen, wäre ich also Jackson, hätte ich dankend abgelehnt. Ich würde nicht aufgrund meines Geschlechts und meiner Hautfarbe favorisiert werden wollen.

Ja, ja, Sie sagen jetzt, es gehe doch gar nicht um Bevorzugung, sondern darum, dass das Gericht Amerikas Bevölkerungszusammensetzung widerspiegeln müsse, dass in der über 200-jährigen Geschichte des Supreme Courts noch nie eine einzige schwarze Juristin auf der Richterbank gesessen habe. Sie sagen, niemand könne Ihnen weismachen, dass es unter den 340 Millionen Menschen in Amerika keine fähigen schwarzen Juristinnen für das Oberste Gericht zu finden seien.

Ich sage Ihnen, Biden könnte ja jemand wie Jackson im Hinterkopf gehabt haben, jeder Präsident, auch Trump, hat bestimmte Richtervorlieben. Aber entscheidend ist es doch, eine hochqualifizierte, exzellente Person zu finden. So aber erweckte Biden von vornherein den Eindruck, dass nur eine Afroamerikanerin eine Chance auf den freigewordenen Richterstuhl hat. Ich kenne auch Leute, die 2008 nur deshalb für Barack Obama als Präsident gestimmt haben, weil er ein Afroamerikaner ist. Aber das ist doch kein Kriterium.

In meinen Augen war und ist Donald Trump eine Ausnahmeerscheinung. Die meisten amerikanischen Präsidenten, besonders die Demokraten wie etwa Bill Clinton oder Barack Obama, verdienen, sobald sie das Oval Office verlassen, dickes Geld mit Reden. Erst das Präsidentenamt verschafft ihnen Reichtum. Trump aber war bereits ein erfolgreicher Unternehmer und Milliardär, als er im Januar 2017 ins Weiße Haus einzog. Er verzichtete sogar auf sein Präsidentengehalt und spendete das Salär. Das nenne ich vorbildlich.

(Rick Burdick:) Trump rannte auch nicht jeder neuen Marotte hinterher, wie etwa dem Klimawandel. Natürlich erwärmt sich die Erde, aber das tat sie auch schon vor Urzeiten. Damals schmolz das Eis, und riesige Eismassen machten hier in der Mitte von Wisconsin das Land platt, schufen weite Ebenen bis runter nach Illinois. Damals gab es keine Autos, keine Kohlekraftwerke, wurden nicht Öl und Gas aus der Erde gepumpt. Bei aller Aufregung über den Klimawandel, sollte man die Kirche im Dorf lassen.

Amerika krankt an fehlender Disziplin und uferloser Anspruchshaltung. Alles soll umsonst sein, niemand will sich mehr anstrengen, jede Schwierigkeit soll vom Staat abgefedert werden.

Unserem Land kommt der gesunde Menschenverstand abhanden. Und wissen Sie, woran Amerika noch krankt? An fehlender Disziplin und uferloser Anspruchshaltung. Alles soll umsonst sein, niemand will sich mehr anstrengen, jede Schwierigkeit soll vom Staat abgefedert werden.

Ich bin in meinem Leben irre oft arbeitslos gewesen. Eine Zeit lang dachte ich, ich wäre zur Arbeitslosigkeit verdammt, obwohl ich aufs College gegangen bin und zum Lehrer an der High School ausgebildet wurde. Aber der Lehrerberuf ist, wenn man nicht wie Luanne auf Lebenszeit eingestellt wird, ein regelrechter ‚Hire-and-fire‘-Job. Jederzeit kann man rausfliegen. Deshalb hilft es, wenn man wie ich zwei gesunde, starke Hände hat und alles machen kann.

Ich wollte nie dem Staat zur Last fallen. In Wisconsin habe ich sechs Jahre lang in einem Warenhaus Kisten gestapelt und in Florida mein Geld als Platzanweiser für die Fluggesellschaft Continental Airlines verdient. In den 1990er Jahren arbeitete ich in einem Projekt, das junge Schulabbrecher, die von staatlicher Unterstützung lebten, aus der Fürsorge befreien und in den Arbeitsmarkt bringen sollte. O Mannomann, war das eine schlimme Erfahrung. Total deprimierend.

Die jungen Leute kriegten alles vom Staat geschenkt: 660 Dollar im Monat bar auf die Hand, ein Bus- und Zugticket, kostenlosen Unterricht – und sogar freie Kindergartenplätze. Die meisten waren nämlich junge schwarze Frauen, eigentlich noch Mädchen, mit mindestens einem Baby, aber ohne Mann und Schulabschluss. Wenn ich auf diesen Missstand aufmerksam machte, war ich sofort Rassist.

Es ist heute üblich, Leute wie mich, weiße Amerikaner, privilegiert zu nennen. ‚Alte weiße privilegierte Männer‘ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Ja, ich bin alt und weiß. Aber privilegiert? Das ich nicht lache! Ich war nie privilegiert, ich hatte in meinem Leben Hochs und Tiefs, ich weiß, was es heißt, jeden Cent zweimal umzudrehen. Aber ich habe mich durchgebissen und mir alles selbst erarbeitet.

Weiße Vorherrschaft, hier in Milwaukee? Auch ein Scherz! Milwaukee hat einen schwarzen Bürgermeister, einen schwarzen Vorsitzenden des Stadtrats, eine schwarze Mehrheit im Schulausschuss, in der Lehrerschaft, einen schwarzen Polizeichef und einen stellvertretenden schwarzen Chef der Feuerwehr. Wer beherrscht hier wen?

Den Arbeitern geht es auch nicht gerade blendend, aber ihnen hilft keiner, sie werden alleingelassen. Trump hat das erkannt.

Meiner Meinung nach laufen zwei Dinge in Amerika völlig falsch: Die Eliten, die politischen und wirtschaftlichen, sorgen vor allem prima für sich selbst. Und die Minderheiten, insbesondere Schwarze und Latinos, die nicht so gut für sich selbst sorgen können, werden vom Staat alimentiert. Und was ist mit den kleinen Leuten, den Arbeitern? Denen geht es auch nicht gerade blendend, aber ihnen hilft keiner, sie werden alleingelassen. Trump hat das erkannt.

(Luanne Burdick:) Rick und ich überlegen, unser Haus aufzugeben und zu Verwandten in den Norden von Wisconsin zu ziehen. Uns wird es hier zu unruhig, die Kriminalitätsrate im benachbarten Milwaukee ist eine der höchsten, ich glaube, die sechshöchste im ganzen Land. Vielleicht ist es eine Frage des Alters, aber ich habe den Eindruck, es wird alles schlechter. Unter Trump ging es der Wirtschaft gut, war die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand. Er war vielleicht nicht der feinsinnigste und gebildetste Präsident aller Zeiten, aber er wusste, was getan werden musste und hatte das Herz am rechten Fleck. Seit der Demokrat Biden im Weißen Haus sitzt, herrscht Krieg in der Ukraine, galoppiert die Inflation davon und kommen mehr illegale Einwanderer als je zuvor in unser Land.

Rick und ich sind bescheidene Menschen. Unser Haus ist abbezahlt, wir haben keine Schulden. Natürlich machen auch uns die steigenden Preise zu schaffen, aber im Unterschied zu vielen anderen können wir die Mehrausgaben schultern, wir haben genug gespart. Wir besitzen keine Handys, keinen Computer und haben auch kein privates Internet. Wenn wir ins Internet müssen, eine E-Mail scheiben wollen, benutzen wir einen Computer in der Stadtbücherei. Natürlich habe ich eine Kreditkarte, aber ich brauche sie fast nie. Wenn ich einkaufe, gehe ich meist vorher zur Bank und hebe Bargeld ab. Selbst wenn wir alle Jubeljahre mal ein neues Auto kaufen, bezahlen wir mit Cash.

Ich konnte die Leute gut verstehen, die am 6. Januar 2021 in Washington gegen Bidens Wahl demonstrierten. In meinen Augen waren das Patrioten.

Ich wünschte, unsere Regierung würde ebenso sparsam haushalten, aber wie alle Demokraten gibt auch Biden das Geld mit beiden Händen aus. Ich konnte die Leute gut verstehen, die am 6. Januar 2021 in Washington gegen Bidens Wahl demonstrierten. In meinen Augen waren das Patrioten. Damit meine ich nicht die wenigen, die danach das Kapitol stürmten, sondern die vielen, die der Meinung waren, die Wahl sei gefälscht. Auch ich halte es für kaum möglich, dass Trump die Wahl verloren hat. Er war als Präsident so erfolgreich, hatte im Volk so große Zustimmung, hat 2020 sogar ein paar Millionen Wählerstimmen mehr gewonnen als vier Jahre zuvor. Ich sage nicht, dass die Republikaner nicht auch schummeln würden, aber nicht in so großem Stil wie die Demokraten. Es gab im November 2020 zu viele Ungereimtheiten bei der Briefwahl, der Schließung von Wahllokalen, der Stimmauszählung.

(Rick Burdick:) Hier bin ich anderer Meinung als Luanne. Ich glaube schon, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewonnen hat und Donald Trump letztlich an sich selbst gescheitert ist. Aber die riesige Aufregung über die Leute, die am 6. Januar 2021 das Kapitol besetzt haben, begreife ich nicht. Natürlich war das nicht schön, aber nichts im Vergleich zu den Unruhestiftern hier in Kenosha, Wisconsin, im Sommer 2020. Ein schwarzer Mob legte, nachdem ein Polizist einen Schwarzen angeschossen hatte, mehrere Straßenzüge in Brand, verbreitete tagelang Angst und Schrecken, so dass am Ende zum Schutz der Bürger die National Guard gerufen werden musste. Über den 6. Januar und den sogenannten ‚weißen Mob‘ redet man heute noch, aber nicht über die Chaostage in Kenosha*. Wer waren die Rädelsführer hier in Kenosha? Leute der ‚Black Lives Matter‘-Bewegung. Das nenne ich zweierlei Maß.

* Während einer Festnahmeaktion am 23. August 2020 wurde in Kenosha, im Süden des US-Bundesstaats Wisconsin, der Afroamerikaner Jakob Blake von einem weißen Polizisten sieben Mal angeschossen. Blake überlebte, aber ist seither querschnittsgelähmt. Die ‚Black Lives Matter‘-Bewegung rief zu Protesten auf, die schnell außer Kontrolle gerieten. Straßen, Geschäfte, Häuser und Regierungsgebäude brannten, der demokratische Gouverneur von Wisconsin bat die Nationalgarde um Hilfe. Bewaffnete weiße Milizionäre reisten an und marschierten durch Kenosha – unter dem Vorwand, rechtschaffene Bürger und Geschäftsbesitzer vor den Demonstranten zu schützen. Aufnahmen zeigen, wie einige Polizeibeamte die Milizionäre freudig begrüßen und mit Wasserflaschen versorgen. Am 25. August erschoss der weiße 17-jährige Kyle Howard Rittenhouse aus Illinois zwei Bewohner aus Kenosha und verwundete einen dritten. Rittenhouse, der sich, mit einer AR-15 bewaffnet, den Milizen angeschlossen hatte, behauptete, aus Notwehr gehandelt zu haben und wurde freigesprochen. Die Unruhen platzten damals mitten in den Präsidentschaftswahlkampf. Sowohl Amtsinhaber Donald Trump als auch sein Herausforderer Joe Biden fuhren nach Kenosha, Biden traf sich mit der Familie von Jakob Blake, Trump später mit Rittenhouse.

Lesen Sie die Einleitung zur Reihe „Unterwegs in Trumps Amerika“ hier.

Martin Klingst ist Senior Expert & Nonresident Author bei der Atlantik-Brücke. Zuvor war er unter anderem Leiter des Politikressorts, USA-Korrespondent und Politischer Korrespondent bei der ZEIT. Im Bundespräsidialamt leitete er anschließend die Abteilung Strategische Kommunikation und Reden. Beim German Marshall Fund of the United States ist Martin Klingst Visiting Fellow. Mehr Informationen über Martin Klingst und seine Arbeit finden Sie auf seiner Website.

Die Beiträge unserer Gastautorinnen und -autoren geben deren Meinung wieder und nicht notwendigerweise den Standpunkt der Atlantik-Brücke.

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